Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gerron - Lewinsky, C: Gerron

Titel: Gerron - Lewinsky, C: Gerron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
Vom Netzwerk:
Elefanten die Scheiße aufklaubt, kann sich einreden, er sei im Showgeschäft.
    Dem Korbinian ging’s als Boxer so ähnlich. Er schaffte es nie, sich einen Namen zu machen. Und das ganz wörtlich. Kein Mensch kannte seinen Familiennamen. Es interessierte sich auch keiner dafür. Er war der Korbinian, und wenn ihn einer ärgern wollte, der kleine Korbinian. Er ließ es sich gefallen, wie er sich alles gefallen ließ. Wenn er nur dabeisein durfte. Ein Kind, das zu den Erwachsenen gehören will.
    Dabei hatte er in Berlin einen guten Start. Er sah aus, wie ein Schwergewichtler aussehen muss. War im Training fleißiger als jeder andere. Stundenlang konnte er auf einen Sandsack einprügeln. Wenn man ihm ein Springseil in die Hand drückte, dann hüpfte er, bis er umfiel. In den ersten Kämpfen, zu denen man ihn aufstellte, schien sich seine Provinzkarriere nahtlos fortzusetzen. Er war größer und stärker als seine Gegner. Sie hatten keine Chance gegen ihn.
    Bis er dann zum ersten Mal auf einen richtigen Boxer traf. Auch ein Amateur, wie alle, die er bisher vor sich gehabt hatte, aber keinFallobst. Ein alter Hase, der das Handwerk und seine Tricks gründlich gelernt hatte. Der war zwanzig Kilo leichter und reichte ihm nicht mal bis zum Kinn, aber Korbinian schaffte es nicht, auch nur einen einzigen Treffer zu landen. Der andere war einfach zu schnell und zu beweglich. Tanzte um ihn herum und fand immer wieder den Weg durch seine Deckung. Korbinian ging nicht k.o., aber als er aus dem Ring kletterte, blutete seine Nase, und ein Auge war zugeschwollen. Für einen Boxer sind solche Verletzungen eigentlich Kinderkram. Einen Kampf nach Punkten zu verlieren, ist keine Schande. Aber Korbinian, das stellte sich an jenem Tag heraus, war gar kein richtiger Boxer. Nur ein starker Mann, der noch nie verprügelt worden war. Hatte den richtigen Körper und die richtigen Muskeln. Sogar die Technik hatte er einigermaßen erlernt. Nur das Kämpferherz fehlte ihm. Er war, trotz seiner Größe, eben doch nur der kleine Korbinian.
    Danach ist er nie mehr zu einem Kampf angetreten. Zwei oder drei Mal ließ er sich noch aufstellen, aber im letzten Moment sagte er immer ab. Wegen Verletzung oder Krankheit. So wie der Lorre seine Lebensmittelvergiftung bekam, als er bei der Dreigroschenoper aussteigen wollte. Dabei trainierte er fleißig weiter, ausdauernd und diszipliniert. Wenn man ihn nicht kannte, sah man nur den kraftstrotzenden Kleiderschrank und konnte Angst vor ihm bekommen. Aber die Boxerwelt ist so verklatscht wie das Theater, und sie kannten ihn alle.
    In jeder Westend-Bar hätte er einen Posten als Rausschmeißer kriegen können. Aber seine Liebe gehörte nun mal dem Sport. Er fühlte sich nur wohl, wo es nach Schweiß und Einreib-Ölen roch. Zum Schmeling kam er, weil bei dem einmal ein Kampf gegen Primo Carnera im Gespräch war, und man fürs Training jemanden suchte, der auch so eine riesige Figur hatte. Der Kampf kam dann nicht zustande, und der Korbinian, so hatte sich bald gezeigt, wäre für die Vorbereitung auch gar nicht zu gebrauchen gewesen. Seit jener Niederlage war er einfach zu ängstlich. Sogar beim Sparring, wo der Max doch gar nicht richtig zuschlug. Er kriegte dann, aus lauter Mitleid, einen Job bei ihm, als so eine Art Mädchen für alles. WennMax zu einem Kampf in den Sportpalast oder wo auch immer einmarschierte, durfte ihm der kleine Korbinian den Eimer mit dem Wasser und dem Schwamm hinterhertragen. Er war unbeschreiblich stolz auf die eigene Wichtigkeit.
     
    Zum ersten Mal habe ich ihn gesehen, als wir den Schmeling in seinem Trainingsquartier besuchten. Ein paar Tage vor dem Kampf um den Schwergewichtstitel. Einer dieser Termine, die nur stattfinden, damit die Presse darüber berichten kann. Der Sportpalast war wohl noch nicht ganz ausverkauft. Wir sind gern hingegangen, weil der Max ein richtiger Kumpel ist, der oft bis in den frühen Morgen mit uns bei Schwanneke saß. Wäre am liebsten selber Schauspieler geworden. Er hatte auch einmal in einem Film mitgespielt, in irgend so einer fürchterlichen Schwarte, deren Namen ich vergessen habe. Wofür mir der Max bestimmt dankbar ist. Später haben wir dann sogar zusammen gedreht.
    Es waren also ein paar bekannte Schauspielergesichter in die Boxschule gekommen. Der Curt Bois war dabei und der Otto Wallburg. Man machte die üblichen Fotos – Max Schmeling hält Willy Fritsch drohend die Faust unter die Nase, ha ha ha –, dann war der offizielle Teil auch schon

Weitere Kostenlose Bücher