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Gerron - Lewinsky, C: Gerron

Titel: Gerron - Lewinsky, C: Gerron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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vorbei, und es wurde Sekt serviert. Dazu hatten sie sich etwas Besonderes einfallen lassen. Hatten den muskulösesten Boxer, den sie auftreiben konnten, in eine absichtlich viel zu enge Kellnerjacke gesteckt. Den Korbinian eben. Mit seinem Silbertablett voller Gläser sah er lächerlich aus, und das sollte auch so sein. Komische Kontraste ergeben interessante Bilder.
    Er war ein hübscher Bursch, wie man das wohl nennt. Nur ein bisschen zu ausladend geraten. Otto Burschatz hat ihn mal mit einem Essen in einem bayerischen Landgasthof verglichen: lauter gute Sachen, aber von allem zu große Portionen. Auffällig krause Haare, die gar nicht so recht zu seinem Typus passten. Da hatte wohl ein römischer Legionär seine Spuren im Familienstammbaum hinterlassen. Oder ein jüdischer Hausierer. Die Erbschaft hat ihm nicht geschadet. Auch nicht, als man anfing, die Menschen nachRassenzugehörigkeit einzuteilen. Eine Karriere hat er gemacht im Dritten Reich, ich könnte kotzen, wenn ich daran denke.
    Wenn ich etwas im Magen hätte.
    Die Photographen waren ganz begeistert von ihm. Einer kam auf die Idee, dass er den kleinen Curt Bois auf den Arm nehmen sollte. Curti war sofort dafür zu haben. Er ist bei jedem Unfug gern dabei. Als wir bei dieser Revue im Kadeko den Einfall hatten, er solle den Römer Gojus mit einem großen Hakenkreuz vor der Brust spielen, hat er keinen Moment gezögert. Die Nazis, von denen es damals auch schon eine Menge gab, würden ihn dafür nicht lieben, das war ihm klar, aber die Pointe war gut, und nur darauf kam es ihm an.
    Er ist noch vor mir aus Deutschland abgehauen, nur eine Woche, nachdem sie den Anstreicher zum Reichskanzler gemacht haben. Heute sitzt er, wie alle vernünftigen Menschen, in Amerika, und wenn er sich dort mit den alten Kollegen aus Berlin trifft, mit dem Lorre oder mit der Marlene, dann fragen sie vielleicht: «Warum ist eigentlich der Gerron nie hierher gekommen? Man hat es ihm doch angeboten.» Weil der Gerron ein Idiot ist, deshalb.
    Curt saß also auf dem Korbinian seinem Arm wie so ein Äffchen. Der Korbinian war glücklich, weil all die berühmten Leute da waren und er dazu gehören durfte und sogar für einen Moment der Mittelpunkt sein. Die Zeitungsleute redeten schon alle davon, was das doch für eine tolle Aufnahme geworden sein müsse, der riesige Mann und der kleine Curt Bois. Dass sie vielleicht genau dieses Bild am nächsten Tag abdrucken wollten. Das machte den Schmeling sauer. Es ging ja schließlich um seinen Kampf und die Reklame dafür. Einen halben Trainingstag hatte er für diesen Anlass geopfert, da mochte er es nicht, wenn jemand von ihm ablenkte. Er schickte den Korbinian weg, um was für ihn zu holen, und unterdessen erzählte er den Presseleuten die ganze Geschichte. Von dem einen Kampf gegen den viel kleineren Gegner, wie der Kleiderschrank dabei vermöbelt wurde und seither im Ring Angst hatte und als Boxer nicht mehr zu gebrauchen war. Auch, dass man ihn den kleinen Korbinian nannte.
    Der Max ist kein bösartiger Mensch, ganz bestimmt nicht. Er hatte sich eben geärgert.
    Als der Korbinian zurückkam – seine Zigarren hat er dem Schmeling bringen müssen, obwohl der im Training gar nicht rauchen durfte –, war er kein Held mehr und kein Liebling der Reporter. Nur noch einer, über den man lachen konnte und verächtliche Bemerkungen machen.
    Der Korbinian merkte das nicht gleich. Sein Erfolg von vorhin hatte ihn mutig gemacht, und er hatte sich etwas ausgedacht. Mich sollten sie mit ihm zusammen photographieren, schlug er vor, «damit der Herr Gerron auch einmal der Kleinere sein kann». Aber das wollte keiner mehr hören. Die Photographen wischten ihn zur Seite wie einen störenden Fussel von der Linse. Einer rief sogar: «Husch, husch ins Körbchen.»
    Körbchen.
    Man konnte sehen, dass das den Korbinian traf wie ein Schlag. Ich mag es nicht, wenn jemand ohne Grund schlecht behandelt wird, deshalb war ich nachher besonders nett zu ihm. Dafür war er mir so dankbar, dass er richtig anhänglich wurde und sich jedes Mal riesig freute, wenn wir uns begegneten. Das war dann immer ein Herr Gerron hinten und Herr Gerron vorn, sogar noch damals, als er mich …
    Nein. Ich will diesen Gedanken jetzt nicht denken.
     
    Einmal durfte der kleine Korbinian den Max Schmeling k.o. schlagen. Mehrmals. In einem Filmatelier ist alles möglich.
    Der Max war damals der große Publikumsliebling, obwohl er die ganzen Kämpfe in Amerika und die Weltmeisterschaft noch

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