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Gerron - Lewinsky, C: Gerron

Titel: Gerron - Lewinsky, C: Gerron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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Prügler. Außer wenn die Dienstanweisung es verlangt.
    Mit dem kleinen Korbinian würde er sich gut verstehen. Würde ihn zu sich nach Hause einladen, in seine unsere Wohnung an der Klopstockstraße, würde ihn in Papas bequemen Sessel setzen, ihm eine Zigarre anbieten und sagen: «Raten Sie mal, Kamerad, wer hier früher mal gewohnt hat?» Und der Korbinian würde antworten: «Den Gerron hab ich gut gekannt. Wissen Sie, was aus dem geworden ist?» Sie wüssten es beide nicht. Es würde sie auch nicht wirklich interessieren.
    Für die Schläger und Sadisten hätten sie nur Verachtung. Für Leute wie den Klingebiel von der Schouwburg oder den Jöckel, der hier in der Kleinen Festung sein Regime führt. Natürlich, Korbinian prügelt auch, aber doch nur rein dienstlich. Zu Ausbildungszwecken. Einfach so ohne Auftrag drauflos zu schlagen, das käme ihm nie in den Sinn. Das hat doch keine Ordnung.
    Vielleicht ist das der Urgrund. Der Anfang von allem. Die Ordnung. Mit dem Weltkrieg ist sie auseinandergebrochen. Kein Kaiser mehr. Kein klares Oben und Unten. Das Geld nichts mehr wert. Dagegen kämpfen sie immer noch an. Es soll sich nie mehr etwas verändern, und deshalb wollen sie ein tausendjähriges Reich. Deshalb träumen sie von einem Europa ohne das Durcheinander der vielen Länder. Von einer Landkarte, wo alles schön einheitlich braun ist. Ordentlich. In Mein Kampf haben sie gelesen, wer am Chaos schuld ist, und jetzt bringen sie das wieder auf die Reihe. Haben Theresienstadt als Entlausungsstation eingerichtet, und wir sind das Ungeziefer. Sie haben ein Handbuch dafür, und das wird jetzt abgearbeitet. Paragraph für Paragraph.
    Es beruhigt, wenn man Regieanweisungen hat.
    Wenn der Rahm Feierabend macht, da würde ich drauf schwören, wenn die Arbeit erledigt und die Kameradschaft gepflegt ist, bei einem Bier oder zweien, dann geht er in seine Wohnung und liest ein gutes Buch. Der Mythus des 20. Jahrhunderts oder Vom Kaiserhof zur Reichskanzlei. Was einem eben so weiterbringt im Leben. Dann legt er sich ins Bett und schläft sofort ein. Schläft ohne Albträume.Schreckt höchstens auf, wenn ihm einfällt, dass er vergessen haben könnte, seinen Wecker zu stellen.
    Der aus der Fünten in Amsterdam war genauso. Ein Bildungsbürger. Einer der weiß, was sich gehört. Wenn im Theater eine Vorstellung läuft, geht man auf Zehenspitzen, und Juden in Mischehen lässt man kastrieren. Beides aus demselben Grund: Ordnung.
    Es gibt unterdessen bestimmt schon einen Hakenkreuzknigge. Vielleicht von der Scholtz-Klink verfasst, der Frau Reichsfrauenführerin mit ihrer Schneckenzopffrisur. Ein Buch, in dem man den richtigen Benimm in allen Lebenslagen nachschlagen kann. Was man zu einer Hinrichtung anzieht und solche Sachen. Dass man in Zivil ins Kabarett geht.
    Der Gemmeker ist auch so ein Buchhalter. Von der aufschneiderischen Sorte. Man kennt das. Zu Hause überlegt er eine Stunde, wieviel Trinkgeld er dem Kellner geben muss, und im Lokal tut er so, als ob es ihm auf eine Mark mehr oder weniger nicht ankäme. Hält sich für einen kessen Lebemann, wenn er dem Mädchen mit dem Bauchladen eine Papierrose abkauft. Im Kadeko haben diese Typen den billigsten Sekt bestellt und dann beim Einschenken die Flasche so gehalten, dass man das Etikett nicht sah. Damit sie an den andern Tischen meinen sollten, er leistet sich Champagner. Jetzt schickt er seinen jüdischen Hampelmännern französischen Cognac hinter die Bühne. Mit Kriegsbeute lässt sich leicht protzen.
    Alles Buchhalter. Zuverläßig. Man sagt ihnen das gewünschte Ergebnis, und sie finden die Addition dazu. Minus oder plus – scheißegal. Man darf sich nur nicht in die Bücher schauen lassen.
     
    Rahm ist ein Meister dieser kreativen Buchführung. Sie haben ihn nach Theresienstadt geschickt, damit er ihnen die Bilanz korrigiert. Sein Vorgänger hatte wohl nicht genügend Phantasie dafür.
    In Babelsberg machen sie manchmal Atelierführungen, für die Presse oder für wichtige Geldmenschen. Da bauen sie dann immer diese Tür auf, das Meisterstück des Malersaals. Sieht aus, als ob man durch sie durchgehen könnte, ist aber nur gemalt. Das beeindrucktdie Besucher jedes Mal ungemein. Rahm hat etwas Ähnliches veranstaltet. Noch besser. Er hat hinterher nicht verraten, dass alles, was man besichtigt hat, nur Augentäuschung gewesen ist. Dabei waren die Rosenstöcke, die sie für die Verschönerungsaktion gepflanzt hatten, das einzig Echte an diesem Tag. Der Herr

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