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Gerron - Lewinsky, C: Gerron

Titel: Gerron - Lewinsky, C: Gerron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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«traurig, traurig. Weil er diesen Film nicht drehen wollte.» Dann wird jemand Champagner nachschenken, und man wird sich darüber unterhalten, wie goldig doch die Bergner wieder gewesen sei. Oder wer immer dann gerade goldig sein wird.
    Mir ging es nicht anders. Ich habe dem Haber hinterhergeschaut und die Schnauze gehalten. Sein Frack ist schlecht geschnitten, habe ich noch gedacht.
    Dann winkte mir auch schon der Karlheinz Martin, der an diesem Abend den Hilfsinspizienten machte – er war schon Direktor der Volksbühne, aber in dieser Nacht, wo alles auf den Besetzungszetteldrängte, hatten sie keine andere Funktion für ihn gefunden –, und es war Zeit für mich, in die Garderobe zu gehen.
    Mir bleibt der Trost, dass sie dem Haber sein Institut weggenommen haben. Ihn vor die Tür gestellt, genau wie mich. Mörder darf man sein, aber Judski bleibt Judski. Da hilft kein Nobelpreis.
     
    Der Haber, wenn ich das richtig mitgekriegt habe, ist emigriert und bald darauf gestorben. Irgendwo im Ausland. Beneidenswert.
    Sonst wäre es durchaus denkbar, dass er jetzt auch in Theresienstadt wäre. Mit seinem Nobelpreis hätte er gute Chancen, hierher geschickt zu werden. Wo man berühmte Wissenschaftler sammelt. Um sie vorweisen zu können, falls sich jemand nach ihnen erkundigt. Der Doktor X? Der Professor Y? Denen geht’s bestens. Genießen ihr Leben. Wer etwas anderes behauptet, betreibt Greuelpropaganda. Sie möchten ihn gern sehen? Bitte sehr, bitte gleich. Schrank fünf, Schublade sieben. Säuberlich aufgespießt neben all den anderen exotischen Schmetterlingen.
    A-Prominenz nennt sich das.
    Gelehrte. Minister. Generäle.
    Ufa-Regisseure.
    Und Leute mit Beziehungen. Arisch versippte Ehefrauen. Sogar Adlige sind darunter. In Olgas Putztruppe arbeitet eine echte Gräfin. Die früher nicht einmal gewusst hätte, wie ein Besen aussieht. Man kann sich bilden, hier in Theresienstadt.
    Das besondere Prunkstück auf unserer Prominentenliste ist eine Frau Schneidhuber. Nicht gerade ein typisch jüdischer Name, aber sie trägt denselben gelben Stern wie wir alle. Witwe eines Münchner Polizeipräsidenten. Er war dummerweise bei der SA, und beim Röhm-Putsch haben sie ihn abgemurkst. Aber noch aus dem Jenseits hält er seine schützende Hand über sie.
    Der Herr Professor Haber würde sich hier nicht langweilen. Könnte sich eine Vorstellung meines Karussells ansehen und müsste sich nicht einmal einen Frack dazu anziehen. Champagner habenwir auch keinen zu bieten. Höchstens einen Schluck aus der Wassertonne des Herrn Turkavka.
    Wissenschaftliche Vorträge könnte der Haber besuchen. Es finden genügend statt. Kein Mangel an klugen Köpfen. Wenn sie auch alle nicht klug genug waren, rechtzeitig aus Deutschland zu verschwinden.
    Er könnte selber Vorträge halten. «Wie ich das Giftgas erfand.» Oder: «Mein Leben als Massenmörder.» Der Titel würde bestimmt auch die SS interessieren.
    Schade, dass er nicht hier ist.
    Ein berühmter Mensch wie er würde seine Ubikation auch bestimmt nicht in einem Massenschlafsaal kriegen. Es würde sich schon irgendwie ein eigenes Zimmer für ihn finden. Vielleicht sogar ein luxuriöses Bordellkämmerchen, auf dem gleichen Flur wie wir. Latrinenduft inklusive.
    Es wäre ihm zu gönnen. Ein Mann mit seinen Verdiensten.
    Natürlich müsste er dann auch in meinem Film mitspielen.
    Wenn ich ihn drehe.
    «Ich will einen Haufen berühmter Leute in Großaufnahme drin haben», hat Rahm gesagt. Er musste mir nicht erklären, warum er das will. Um zu beweisen, dass es sie noch gibt. Um seine Schmetterlingssammlung vorzuführen.
    Den Haber gibt es nicht mehr. Er ist rechtzeitig gestorben, der Herr Professor. Manche Leute haben Glück.
    Wen es erwischt hat und wen nicht, darüber denkt man besser nicht nach. Zum Wahnsinn führt der Weg , heißt es bei Shakespeare. Die Geschichte hat mit uns russisches Roulette gespielt, aber anders, als man es in den Filmen tut. Fünf Kammern geladen und eine leer.
    Manchmal ist tatsächlich eine leer.
    Ich könnte jetzt in der Sonne sitzen, in Hollywood, wo jeder sein eigenes Schwimmbad hat. Marlene hat mir das geschrieben, und ich werde nie mehr erfahren, ob es ein Witz sein sollte. Ich könnte meinen Liegestuhl neben den ihren stellen lassen. Kurz mal mit den Fingern schnipsen, und der Aufnahmeleiter bringt mir einen Whisky. Es könnte so sein. Wenn ich nur …
    Zum Wahnsinn führt der Weg .
    Oder damals im Krieg. Ein halber Meter weiter links, und ich wäre heute

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