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Gerron - Lewinsky, C: Gerron

Titel: Gerron - Lewinsky, C: Gerron Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Lewinsky
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kleinen Fehlern zu sein.» Und zwinkerte mir zu.
    Olga hatte es gehört, was Otto dann furchtbar peinlich war. Aber sie lachte bloß. Sie hat mich von Anfang an so akzeptiert, wie ich nun mal bin.
    Ich habe ihr eine Hochzeitsreise versprochen und das Versprechen nie gehalten. Da war immer noch ein Auftritt. Noch eine Rolle. Noch eine Inszenierung. Heute reut mich jede Stunde, die wir nicht gemeinsam verbracht haben.
    Dafür war sie überall dabei. Auch im Atelier. «Sie passt auf ihn auf», sagten die Leute. «Weil niedliche Ballettmädchen in der Nähe sind.» Ich muss meine Verführer-Rolle überzeugend gespielt haben.
    Jemand, der mit unserem Gewerbe nichts zu tun hat, wird in Künstlerkreisen oft nur schwer akzeptiert. Bei Olga war das anders. Sie hat das seltene Talent, wirklich zuhören zu können. Weil siesich für andere Menschen, und das ist noch viel seltener, auch wirklich interessiert. Jeder, der sich mal ausweinen oder ein Problem besprechen wollte, kam automatisch zu ihr.
    Sogar Leute, die sonst den starken Mann markierten. Als wir Heut’ kommt’s drauf an drehten, und sich der Albers seine Sätze mal wieder nicht merken konnte, hat sie bis früh um vier mit ihm Text gebüffelt. Was dann auch nichts half. Am nächsten Tag hing er wieder. Wir mussten seine Szene ein halbes Dutzend Mal wiederholen. Worauf der Hans zu mir sagt: «Schau mich nicht so vorwurfsvoll an, Gerron! Deine Frau hat mich die ganze Nacht nicht schlafen lassen.»
    Und einmal …
     
    Hitler ist tot. Jetzt wird alles anders.
     
    Er hat das Attentat überlebt. Ich hätte wissen müssen, dass es keine guten Nachrichten gibt. Nicht für uns. Keine Wunder in letzter Minute. Ich darf mir keine Hoffnung mehr leisten. Muss mich auf die Dinge konzentrieren, die mir geblieben sind. Entscheiden, welches Opfer sie wert sind.
    Auslegeordnung:
    Vier Wände. Eine Türe. Ein Fenster. Zweimal drei kleine Glasscheiben. Eine davon, unten rechts, ist zerbrochen, und wir haben sie durch ein Stück Pappe ersetzt.
    Der Geruch der Latrine.
    Zwei Betten übereinander. Ich unten, Olga oben. Nur eine richtige Bettdecke. Die andere haben sie mir gestohlen, als wir in Theresienstadt ankamen. Ich schlafe unter einem Ersatz aus zusammengestoppelten Mehlsäcken. Schleussenmühle steht darauf, eine bittere Ironie. Man kommt durch eine Schleuse nach Theresienstadt, und weil dort so viel verschwindet, sagt man hier nicht stehlen . Man sagt schleusen.
    Zwei Strohmatratzen. Im Moment ohne lästige Mitbewohner.Dank Dr. Springers guten Beziehungen zur Hygieneabteilung konnten wir sie in der alten Brauerei entwesen lassen. Sie machen das dort mit einem Gas. Zyklon B. Äußerst wirksam.
    Keine Kopfkissen, natürlich nicht. Man rollt seine Kleider zusammen und legt den Kopf darauf. Im Gefängnis braucht man keine Bügelfalte.
    Ich könnte uns richtige Kissen verschaffen. Daunendecken. Ich bin A-Prominenter, da kann man an solche Sachen rankommen. Aber Olga ist strikt dagegen, dass wir uns Vorteile verschaffen. «Das wäre unfair», sagt sie. Sie ist der letzte Mensch, der noch an Gerechtigkeit glaubt. Ich liebe sie dafür.
    Auch ohne Kopfkissen schlafen wir nicht schlecht. Wenn wir nicht träumen.
    Ein Koffer als Kommode. Der übliche Theresienstädter Möbelersatz. Nicht sehr groß, aber für unsern Besitz reicht er aus. Und wenn man auf Transport geht, hat man den Koffer gleich zur Hand.
    Zwei Stühle. Der eine aus einer vornehmen Wohnung. Mit geschnitzter Rückenlehne. Auf der Sitzfläche Reste eines gelben Samtbezugs. Der andere, eine Stabelle, hat seine Lebensgeschichte wohl in einem Bauernhaushalt begonnen. Nicht elegant, aber massiv. Also für mich reserviert.
    Der Tisch aus zwei Margarinekisten. VYNIKAJÍCÍ KVALITY steht darauf, was ich mir mit prima Qualität übersetze. Wer Sinn für Ironie hat, kommt in Theresienstadt auf seine Kosten.
    Die Kisten sind unser Tresor. Für die unersetzlichen Dinge.
    Ein Stück Seife. Eine Dose mit Zahnpulver. Eine Zahnbürste. Die zweite hat man uns gestohlen. Wir haben lang darüber philosophiert, welches Verhältnis zur Hygiene der Dieb gehabt haben kann.
    Ein Bleistiftstummel. Ein liniertes Schulheft mit ein paar leeren Seiten. Tschechische Sprachübungen, mit viel roter Tinte korrigiert.
    Olgas Nähzeug mit der einen, kostbaren Nadel.
    Zwei Teller aus Blech. Ein Henkelmann, drei Schalen übereinander. Zwei Gläser. Richtiges Glas, leider. Wenn uns eines zerbricht, wird es schwer zu ersetzen sein. Ein kleiner metallener Krug,

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