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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Musil
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besagt, daß es darauf hinweise, es zu verstehen gebe, anzeige, in bestimmten Fällen oder gar schlechthin zu vertreten vermöge, daß es das gleiche sei wie etwas anderes oder unter den gleichen Begriff falle und als dieses andere zu erkennen und aufzufassen sei. Allemal ist das eine vom Verstand erfaßbare und sein Wesen angehende Beziehung; und natürlich kann auf diese Art alles und jedes etwas bedeuten, wie es denn auch bedeutet werden kann. Andernteils gibt es das Wort Etwas bedeuten aber auch in dem Gebrauch, daß etwas Bedeutung habe oder von Bedeutung sei. Auch in diesem Sinn ist nichts davon ausgeschlossen. Nicht nur ein Gedanke kann bedeutend sein, sondern auch eine Tat, ein Werk, eine Persönlichkeit, eine Stellung, eine Tugend, und selbst eine einzelne Gemütseigenschaft. Der Unterschied gegen das andere Bedeuten ist dann der, daß dem Bedeutenden noch besonders ein Rang und Wert zugeschrieben wird.
    Etwas sei bedeutend, heißt in diesem Sinn, es sei bedeutender als anderes, oder schlechthin, es sei ungewöhnlich bedeutend. Wonach wird das entschieden? Die Zuschreibung gibt zu verstehen, daß es einer Hierarchie angehört, einer angestrebten Ordnung geistiger Gewalten; möge auch das erreichbare Maß der Ordnung in vielem so unzuverlässig sein, wie es in manchem streng ist. Gibt es diese Hierarchie? Sie ist der menschliche Geist selbst; und zwar nicht als Naturbegriff, sondern als das, was objektiver Geist genannt wird.
    Agathe fragte, was man darunter verstehe; es sei ein Begriff, womit Menschen, die wissenschaftlicher gebildet seien als sie, so herumwürfen, daß sie jedesmal den Kopf in die Schultern stecke.
    Ulrich tat es ihr beinahe nach. Das Wort war ihm übermäßig geläufig. Es wurde in wissenschaftlichen und halbwissenschaftlichen Auseinandersetzungen damals so viel verwendet, daß es sich schier um sich selbst drehte. «Du lieber Himmel! du fängst an, gründlich zu werden!» erwiderte er. Ihm selbst war der Ausdruck eigentlich unbedacht über die Lippen geschlüpft.
    Gewöhnlich versteht man unter objektivem Geist die Werke des Geistes, seinen durch die verschiedensten Zeichen verhältnismäßig beständig niedergelegten Anteil an der Welt, im Gegensatz zum subjektiven Geist als persönlicher Eigenschaft und persönlichem Erlebnis; oder man verstand, was nicht ganz vom ersten zu trennen war, den gültigen Geist darunter, den bewährbaren und wertbeständigen, im Gegensatz zu den Eingebungen der Laune und des Irrtums. Das berührte zwei Gegensätze, deren Bedeutung für Ulrichs Leben durchaus nicht bloß lehrhaft geblieben, sondern – was er wohl wußte und auch oft genug ausgesprochen hatte – höchst reizvoll-sorgenvoll geworden war. Was er gemeint hatte, hatte darum von beidem etwas.
    Vielleicht hätte er seiner Schwester auch sagen können, daß man unter objektivem Geist alles verstehe, was der Mensch gedacht, geträumt und gewollt hat; es dabei aber nicht als Teile eines seelischen, geschichtlichen oder anderen zeitlich-wirklichen Ablaufs ansehe, und gewiß auch nicht als etwas Geistig-Übersinnliches, sondern lediglich an sich selbst, nach seinem eigensten Gehalt und Zusammenhang. Auch was scheinbar dem widerspräche, am Ende aber das gleiche ist, hätte er sagen können, daß man es unter Vorbehalt aller Zusammenhänge und Ordnungen betrachte, deren es überhaupt fähig sei. Denn was etwas an und für sich bedeute oder sei, setzte er gleich dem Ergebnis, das aus den Bedeutungen zusammenwächst, die ihm unter allen möglichen Umständen zukommen können.
    Man hat das aber bloß anders auszudrücken und hat bloß zu sagen, an und für sich wäre dann etwas gerade das, was es nie an und für sich, vielmehr je in Bezug auf seine Umstände sei, und ebenso auch, daß seine Bedeutung alles sei, was es bedeuten könne; man hat den Ausdruck also bloß auf die Spitze zu stellen, damit sogleich der Zweifel deutlich werde, der daran hängt. Denn natürlich ist es üblich, im Gegenteil vorauszusetzen, und wenn selbst nur aus sprachlicher Gepflogenheit, was etwas an und für sich sei, oder denn auch bedeute, bilde den Ursprung und Kern alles dessen, was sich in wechselnden Beziehungen von ihm aussagen läßt. Es war darum eine besondere Auffassung vom Wesen des Begriffs und des Bedeutens, von der sich Ulrich hatte führen lassen; und sie könnte denn auch, zumal weil sie nicht unbekannt ist, ungefähr so angegeben werden: Was immer unter dem Wesen des Begriffs von einer logischen Theorie

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