Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
und versank wieder in dem fahlen Rosa.
»D-das können wir uns noch nicht richtig erklären«, gestand Jurkowski.
»Ich sehe mir das gleich mal an, Wolodja«, versprach Krutikow.
Vor dem Periskop zog noch eine Berglandschaft vorüber. Sie schwebte hoch oben, und ihre Gipfel waren nach unten gekehrt. Ein fantastischer, absolut widersinniger Anblick. Jurkowski hielt es zuerst wieder für ein Trugbild. Aber es war keins. Und dann begriff er. »Das ist nicht der Kern, Johannytsch, das ist ein Friedhof!«
Dauge verstand nicht.
»Das ist ein Friedhof von Welten«, erläuterte Jurkowski. »Jupiter hat sie verschlungen.«
Nach langem Schweigen murmelte Dauge: »Toll, was wir hier alles entdecken! Einen Ring, rosafarbene Strahlung, einen Weltenfriedhof … ein Jammer … Ist das schade!« Er drehte sich um und rief Mollard etwas zu. Aber der gab keine Antwort, er lag bäuchlings auf dem Fußboden.
Sie trugen Mollard in die Druckkammer und brachten ihn wieder zu Bewusstsein. Aufgedunsen und erschöpft, wie er war, schlief er sofort ein, als fiele er in eine Ohnmacht. Die beiden kehrten zum Observatorium zurück und setzten ihre Beobachtungen an den Periskopen fort. Unter der »Tachmasib«, neben ihr und manchmal auch über ihr zogen in Strömen komprimierten Wasserstoffs langsam Trümmer unerschaffener Welten vorüber: Felsen, Berge, ungeheure geborstene Brocken, durchsichtige graue Staubwolken.
Nach einiger Zeit wurde die »Tachmasib« in eine andere Richtung getrieben, und vor den Periskopen breitete sich wieder nichts als fahlrosa Einöde aus.
»Ich bin hundemüde«, erklärte Dauge und ließ sich zur Seite sinken; seine Knochen knackten. »Hörst du?«
»Ja«, antwortete Jurkowski. »Komm, wir beobachten weiter!«
»Meinetwegen.«
»Ich hatte gedacht, es wäre der Kern.«
»Das wäre ein Wunder gewesen«, meinte Dauge.
Jurkowski rieb sich mit beiden Händen das Gesicht. »Das behauptest du … Los, beobachte weiter!«
Sie sahen und hörten noch vieles, oder sie glaubten, noch vieles zu sehen und zu hören, denn sie waren beide schrecklich müde. Manchmal wurde ihnen schwarz vor den Augen; dann schienen sich die Wände des Observatoriums in Luft aufzulösen, und es gab weit und breit nichts als das fahle Rosa. Sie erblickten breite, zickzackförmige Blitze, die sich nach oben in die Finsternis und nach unten in das unergründliche Rosa bohrten, hörten, wie darin mit eisernem Donnergetöse violette Entladungen pulsierten. Sie erblickten seltsame wallende Schleier, die mit merkwürdigem Pfeifen ganz nah vorüberrauschten. In dem fahlen Dunst geisterten gespenstische Schatten, und Dauge behauptete steif und fest, es handle sich um kompakte Schatten. Jurkowski aber hielt das für ein Hirngespinst. Sie hörten Heulen, Fiepen und Gepolter, eigenartige Laute, die an Stimmen erinnerten. Dauge schlug vor, die Laute mit dem Diktafon aufzuzeichnen, als er sah, dass Jurkowski auf dem Bauch lag und schlief. Dauge drehte ihn auf den Rücken und ging wieder an sein Periskop.
Durch die offen stehende Tür kroch, blau gesprenkelt, Waretschka ins Observatorium; ihr Bauch schleifte über die Erde. Sie kroch zu Jurkowski und legte sich auf seine Beine. Dauge wollte sie verjagen, aber er hatte keine Kraft mehr und konnte nicht einmal den Kopf heben. Waretschka blinzelte träge. Die Borsten an ihrem Maul waren gesträubt. Krampfhaft zuckte der schon halb tote Schwanz im Takt ihres pfeifenden Atems.
3. Es muss Abschied genommen werden,
aber der Funkoptiker weiß nicht, wie
Es war schwer, unvorstellbar schwer, unter derartigen Be dingungen zu arbeiten. Shilin verlor mehrmals das Bewusstsein. Das Herz setzte aus, und vor seinen Augen flimmerte es rot. Im Mund hatte er die ganze Zeit den süßlichen Beigeschmack von Blut. Er empfand es als beschämend, dass Bykow unverdrossen und präzise wie ein Uhrwerk weiterarbeitete. Der Kommandant war völlig verschwitzt, auch ihm fiel das Arbeiten unglaublich schwer, aber er konnte sich, wie es schien, trotz allem dazu zwingen, bei Bewusstsein zu bleiben. Nach zwei Stunden war Shilin völlig entfallen, welchem Zweck seine Arbeit eigentlich diente. Er besaß keine Hoffnung und keinen Lebenswillen mehr. Doch jedes Mal, wenn er wieder zu sich kam, setzte er die unterbrochene Arbeit fort, weil Bykow in der Nähe war. Als er schließlich zum soundsovielten Mal aus der Ohnmacht erwachte und Bykow nirgends entdecken konnte, fing er an zu weinen. Aber Bykow kehrte wenig später zurück, stellte eine
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