Gesammelte Werke 6
Darauf spendiere ich einen auf Kosten des Hauses. Einen Klaren?«
»Meinetwegen«, sagte Viktor nachdenklich.
Der Besuch des Bürgermeisters erschien ihm plötzlich in ganz anderem Licht. So machen die das also, dachte Viktor. Tja … Entweder du verschwindest, oder du tust, was man dir sagt, sonst machen wir dich fertig. Übrigens dürfte es gar nicht mehr so leicht sein zu verschwinden: Bei einem terroristischen Anschlag wird eine Fahndung eingeleitet. Was bist du bloß für ein widerlicher Säufer. Und nicht irgendwen, nein, den Polizeichef … Aber von der Idee und Ausführung her – gar nicht schlecht. Das Einzige, woran sich Viktor noch erinnerte, war der unter Wasser gesetzte Fußboden, aber er konnte sich die Szene lebhaft vorstellen. Tja, Viktor Banew, mein Guter, abgebrühtes Ferkel, Hinterstubenoppositioneller und Liebling des Herrn Präsidenten – anscheinend ist auch für dich die Zeit gekommen, dich kaufen zu lassen … Roz-Tussow, ein erfahrener Mann, pflegt aus diesem Anlass zu sagen: Man sollte sich so teuer wie möglich verkaufen – je ehrlicher deine Feder ist, umso teurer kommt sie die Machthaber zu stehen. So schädigst du deinen Gegner selbst dann, wenn du dich verkaufst, du musst nur zusehen, dass der Schaden maximal ausfällt. Viktor schüttete den Klaren ohne jeden Genuss in sich hinein.
»Gut, Teddy. Danke. Gib mir die Rechnung. Ist’s viel geworden?«
»Für deinen Geldbeutel nicht«, antwortete Teddy grinsend und holte ein Blatt Papier aus der Kasse. »Du hast zu zahlen: siebenundsiebzig für einen Toilettenspiegel und vierundsechzig für ein großes Porzellanbecken – macht insgesamt, wie du dir selbst ausrechnen kannst, hunderteinundvierzig. Die Stehlampe haben wir im Zusammenhang mit der Prügelei von neulich abgeschrieben. Nur eins begreife ich nicht«, fuhr er fort und sah Viktor zu, wie er das Geld abzählte. »Womit hast du den Spiegel zertrümmert? Das war stabiles Glas, zwei Finger dick. Hast du mit dem Kopf dagegen geschlagen?«
»Mit wessen Kopf?«, fragte Viktor finster.
»Schon gut, mach dir keine Sorgen«, beruhigte ihn Teddy und nahm das Geld entgegen. »Du schreibst den Artikel, wirst rehabilitiert, sackst das Honorar ein, und damit ist der Schaden behoben. Soll ich dir noch einen eingießen?«
»Nein, später. Ich komme nach dem Abendessen noch mal vorbei«, meinte Viktor und ging auf seinen Platz.
Im Restaurant war alles wie immer – das Halbdunkel, die Gerüche, das Tellerklappern aus der Küche; der junge Mann mit der Brille und der Aktentasche, sein Begleiter und die Flasche Mineralwasser; der niedergedrückte Dr. Quadriga; Pavor, der trotz seines Schnupfens aufrecht dasaß, und Golem, der bequem im Sessel saß und dessen Nase so schwammig aussah wie die eines versoffenen Propheten. Der Kellner kam.
»Neunaugen«, orderte Viktor. »Eine Flasche Bier. Und ein Stück Fleisch.«
»Da haben Sie die Bescherung«, meinte Pavor vorwurfsvoll. »Ich habe Ihnen schon hundertmal gesagt: Hören Sie mit der Sauferei auf.«
»Und wann haben Sie das gesagt? Ich kann mich nicht erinnern.«
»Was denn für eine Bescherung?«, erkundigte sich Dr. Quad riga. »Hast du endlich jemanden umgebracht?«
»Erinnerst du dich auch an nichts?«, fragte ihn Viktor.
»Sprichst du von gestern?«
»Ja, ich spreche von gestern … Da hat sich der alte Säufer volllaufen lassen«, erklärte Viktor, an Golem gewandt, »und den Herrn Polizeichef ins Klo gesperrt …«
»Ach!«, rief Dr. Quadriga. »Alles Schwindel. Das habe ich auch dem Untersuchungsführer gesagt. Heute früh war einer bei mir. Stellen Sie sich vor: Da sitze ich am Fenster und gucke raus, habe furchtbares Sodbrennen, und mir platzt fast der Schädel, da kommt so ein Schwachkopf und will einen Fall zusammenschustern …«
»Wie sagten Sie?«, fragte Golem. »Zusammenschustern?«
»Jawohl, zusammenschustern«, versicherte Dr. Quadriga und tat so, als führe er mit einem Pfriem durch ein Stück Leder. »Allerdings keinen Stiefel, sondern einen Fall. Ich habe ihm klipp und klar gesagt, dass das alles Schwindel ist: ›Ich bin gestern den ganzen Abend im Restaurant gesessen‹, hab ich ihm erklärt, ›und es war alles still und friedlich, wie immer, keinerlei Krawalle, nichts, mit einem Wort: Es war stinklangweilig …‹ Alles halb so schlimm«, sagte er aufmunternd zu Viktor. »Das wäre ja gelacht … Aber warum hast du das gemacht? Kannst du ihn nicht leiden?«
»Reden wir über etwas anderes«, schlug Viktor
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