Gesammelte Werke
Rachen auf unser Boot zu. Infolge des Durcheinanders, das diese unerwartete Wendung der Dinge erzeugte, war keiner in Bereitschaft, neue Schüsse abzugeben, und der Bär hatte schon die Hälfte seines Riesenkörpers über das Schandeck des Bootes gewälzt und einen der Mannschaft im Rücken erfasst, bevor man sich zur Abwehr aufzuraffen vermochte. In dieser Notlage rettete uns nur die Gewandtheit und Geistesgegenwart Dirk Peters’ vor dem Untergang. Er sprang mit einem Satz auf den Rücken des Untiers und stieß ihm sein Messer tief hinter den Nacken, so dass er das Rückenmark traf. Das Vieh kollerte, ohne Widerstand, völlig verendet ins Meer und rollte in seinem Sturz über Peters hin, so dass er mitgerissen wurde; doch erholte er sich rasch, ließ sich ein Tau zuwerfen und befestigte daran die Beute, ehe er ins Boot kletterte. Nun kehrten wir im Triumph zurück, das erlegte Untier nachschleppend. Der Bär maß in seiner größten Länge volle fünfzehn Fuß. Seine Wolle war völlig weiß, sehr grob und lockig. Die Augen hatten eine blutrote Farbe und waren größer als die des nordischen Eisbären; seine Schnauze rundete sich stärker und gemahnte an die Schnauze einer Bulldogge. Das Fleisch war zart, aber von sehr tranigem und fischartigem Geschmack; die Leute verzehrten es gierig und nannten es ein köstliches Gericht.
Kaum hatten wir unsere Beute geborgen, da scholl es freudig vom Mastkorb: »Land über Steuerbord!« Alles bemühte sich eifrig, und da eine Brise sehr zur Zeit im Norden aufsprang, waren wir bald nahe an der Küste. Es war eine flache Felseninsel, etwa eine Meile im Umfang und, wenn man von einer Art Stachelbirne absieht, ganz ohne Pflanzenwuchs. Von Norden herankommend, bemerkten wir einen sonderbaren Felsvorsprung, der gar wunderlich an aufgestapelte Baumwollballen erinnerte. Westlich von diesem Felsen ist eine kleine Bucht, in der unsere Boote bequem landen konnten.
Bald hatten wir das Eiland völlig durchforscht; doch fanden wir, mit einer Ausnahme, nichts Bemerkenswertes. An der Südspitze hoben wir ein Stück Holz auf, das, jetzt in einem lockeren Steinhaufen halb vergraben, einstmals das Vorderteil eines Kanus gebildet zu haben schien. Es waren Schnitzversuche daran zu erkennen, und Kapitän Guy glaubte die Gestalt einer Schildkröte wahrzunehmen, aber die Ähnlichkeit schien mir nicht überzeugend genug. Außer diesem Vorderteil, falls es ein solches war, fanden wir kein Anzeichen, dass irgendein lebendes Wesen je hierhergekommen war. An der Küste fanden wir Eisschollen, doch in geringer Zahl. Die Lage dieses Eilands, das unser Kapitän nach seinem Partner »Bennets Eiland« taufte, liegt in 82° 50’ südlicher Breite, 42° 20’ westlicher Länge.
Jetzt waren wir um acht Grad weiter nach Süden gelangt als alle früheren Reisenden, und noch immer lag die See völlig offen vor unseren Blicken da. Beständig nahm die Abweichung der Kompassnadel ab, und, was noch merkwürdiger ist, die Luft und neuerdings auch das Wasser wurden immer wärmer. Das Wetter konnte man angenehm nennen, und wir hatten eine stetige, aber sanfte Brise, die regelmäßig aus einer nördlichen Gegend des Kompasses wehte. Der Himmel war von seltener Klarheit, nur dann und wann zeigte sich ein leichter Dunst am Südhorizont, doch niemals verweilte er lange dort. Nur zwei Schwierigkeiten standen uns entgegen. Das Brennholz würde bald aufgebraucht sein, und an einigen Leuten hatte man die Symptome des Skorbuts beobachtet. Diese Umstände mahnten Kapitän Guy an die Notwendigkeit der Rückkehr, und er sprach wiederholt von ihr. Was mich anbetrifft, so war ich fest überzeugt, dass unser Kurs uns bald zu irgendeinem Land führen müsse, und alle Anzeichen wiesen darauf hin, dass wir dort nicht den unfruchtbaren Boden der hohen arktischen Breiten antreffen würden; so drang ich denn in ihn, er möge im Interesse aller standhalten und wenigstens ein paar Tage in der Richtung, die wir jetzt innehatten, weitersegeln. Eine so verlockende Gelegenheit, das große Problem des antarktischen Festlandes zu lösen, hatte sich noch keinem dargeboten, und ich gestehe, dass ich innerlich vor Entrüstung über die unzeitgemäße Ängstlichkeit unsres Befehlshabers bebte. Ich werde ihm denn wohl auch ein Wort darüber gesagt haben, das ich nicht zurückhalten konnte, und dies scheint ihn veranlasst zu haben, seinen Kurs fortzusetzen. So sehr ich bedauern muss, dass mein Rat der unmittelbare Anlass zu unheilvollen und blutigen
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