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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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Bezeichnung, gelinde gesagt«. Auch diese Äußerung Karlchens war auf die Menge von großer Wirkung, und man hörte, wie jemand die bedeutsame Frage tat, wie es komme, dass Herr Kielfeder so genau die Umstände des Verschwindens seines reichen Onkels wissen könne, dass er sich berufen fühle, klar und unzweideutig zu behaupten, sein Onkel sei »ein Ermordeter«. Darauf gab es zwischen einzelnen in der Menge allerlei Gezänk und Gestichel, besonders zwischen Karlchen und Herrn Kielfeder – obzwar dieses letztere Ereignis durchaus nichts Neues war, denn in den letzten paar Monaten zeigten sich die beiden wenig gut gesinnt. Die Dinge waren sogar so weit gediehen, dass Herr Kielfeder seines Onkels Freund zu Boden geschlagen hatte, wie er behauptete, wegen allzu großer Freiheiten, die der Besucher sich in des Onkels Haus herausgenommen habe, das der Neffe mitbewohnte. Wie es scheint, hatte Karlchen sich bei dieser Gelegenheit mit vorbildlicher Gelassenheit und christlicher Milde benommen. Er erhob sich, ordnete seinen Anzug und machte nicht den geringsten Versuch zu einer Wiedervergeltung – murmelte nur etwas wie »bei erster Gelegenheit summarische Rache nehmen« – eine natürliche und gerechtfertigte Aufwallung des Zorns, die jedoch nichts weiter besagte und zweifellos ebenso schnell vergessen wurde, wie sie geäußert worden war.
    Wie diese Dinge nun auch liegen mögen (die mit dem vorliegenden Fall in keinerlei Beziehung stehen), Tatsache ist, dass die Leute von Schnatterburg durch die Überredungskunst Herrn Kielfeders endlich den Beschluss fassten, sich in der Umgegend auf die Suche nach dem vermissten Herrn Schützenwerth zu begeben. Ich sage, sie fassten zunächst den Entschluss. Nachdem beschlossen worden war, dass eine Nachforschung angestellt werden sollte, verstand es sich eigentlich von selbst, dass die Suchenden sich verteilten – das heißt, in einzelnen Trupps auszogen –, um die Umgegend gründlich abzusuchen. Ich habe jedoch vergessen, mit welchen Gründen Karlchen die Versammelten bald überzeugte, wie ganz unverständig dieser Plan sei. Jedenfalls – er überzeugte sie, alle bis auf Herrn Kielfeder, und man kam schließlich überein, dass eine sorgsame und sehr gründliche Untersuchung von den Bürgern »en masse« vorgenommen werden sollte, unter Führung von Karlchen selbst.
    Was das anlangte, so hätte es keinen besseren Pfadfinder als Karlchen geben können, von dem alle wussten, dass er Luchsaugen besaß; doch obschon er sie in alle erdenklichen heimlichen Winkel und Höhlen führte und auf Wegen, die keiner je in der Nachbarschaft vermutet hatte, und obschon die Nachforschungen Tag und Nacht fast eine Woche lang ununterbrochen fortgesetzt wurden, ließ sich doch keine Spur von Herrn Schützenwerth entdecken. Wenn ich sage, keine Spur, so muss man das aber nicht wörtlich nehmen; denn allerdings, eine gewisse Spur war vorhanden. Die Hufeisen des Pferdes (die von besonderer Art waren) ließen die Spur des armen Mannes auf der zur Hauptstadt führenden Landstraße bis in etwa drei Meilen Entfernung verfolgen. Hier leitete die Spur auf einen Nebenweg im Wald – der wieder auf die Landstraße zurückführte und etwa eine halbe Meile Abkürzung bedeutete. Der Trupp folgte den Hufspuren auf diesen Nebenpfad und gelangte zu einem sumpfigen Teich, der rechts vom Weg durch Brombeergestrüpp fast verborgen war, jenseits des Teiches aber blieb die Spur verschwunden. Man durchfischte den Teich zwei Mal mit großer Sorgfalt, fand aber nichts, und die Leute wollten sich gerade, am Erfolg verzweifelnd, entfernen, als die Vorsehung Herrn Guterjung den Gedanken eingab, man müsse das Wasser ganz und gar ablassen. Dieser Vorschlag wurde eifrig begrüßt, und Karlchen erhielt manch hohes Lob ob seiner Weisheit und Überlegung. Da viele der Bürger Spaten bei sich hatten, in der Erwartung, dass es vielleicht eine Leiche auszugraben gäbe, so wurde die Entwässerung des Teichs leicht und rasch bewerkstelligt, und kaum tauchte der Boden auf, da kam in der Mitte der zurückbleibenden Schlammfläche ein schwarzes Wams aus Seidenplüsch zum Vorschein, das von fast allen Anwesenden als das Eigentum des Herrn Kielfeder erkannt wurde. Das Wams war sehr zerrissen und blutbefleckt, und es gab unter den Leuten mehrere, die sich genau erinnerten, dass sein Besitzer es gerade an dem Morgen, als Herr Schützenwerth den Ritt zur Stadt unternahm, getragen habe; wohingegen wieder andere auf Verlangen bereit waren, zu

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