Gesandter des Teufels
Älteren, und ihm wurde klar, dass es die Erniedrigung seiner Tochter und die seiner ganzen Familie war, die ihn zu offenem Widerstand getrieben hatte.
»Und Richard hat das zugelassen?«, fragte Raby.
Northumberland nickte knapp. »Wie kann er nur so dumm sein?«, sagte Raby. »Dann wisst Ihr jetzt also, warum wir hier sind«, erwiderte Northumberland. »Sprecht es aus!« »Richard muss gestürzt werden.«
»Und ...«
»Es wird Zeit, dass Bolingbroke auf den Thron gelangt.«
Raby lehnte sich in seinem Stuhl zurück, ergriff seinen leeren Weinbecher und drehte ihn gedankenverloren in der Hand. »Ihr wollt den Thron nicht selbst erringen, Percy ? Und auch nicht für Euren Sohn?«
»Weder ich noch Hotspur könnten darauf hoffen, den Thron zu halten«, sagte Northumberland leise und blickte Raby offen ins Gesicht.
Raby nickte bedächtig. Nein, Northumberland war beim Volk längst nicht so beliebt, dass er auf dem Thron bleiben könnte, wenn er ihn erobert hätte ... und er war weise genug, das auch zu wissen.
Er sah zu Hotspur hinüber.
Dieser mied jedoch seinen Blick.
Der Sohn ist also nicht ganz so weise wie der Vater. Nun ja, Bolingbroke wird mit Hotspur fertig werden, wenn es sein muss.
Im Augenblick wollen die Percys jedoch dafür sorgen, dass Bolingbroke auf den Thron gelangt.
Raby lächelte herzlich und aufrichtig. Er stand auf, beugte sich zu Northumberland vor und streckte ihm die Hand entgegen.
»Willkommen im Kreise Lancasters«, sagte er.
Nach kurzem Zögern ergriff Northumberland seine Hand.
»Ich bringe viele Verbündete mit«, sagte er.
»Dann seid versichert, dass Bolingbroke seine Freunde reich belohnen wird. Aber rechnet nicht damit«, Rabys Lächeln verwandelte sich in ein verschmitztes Grinsen, »dass er Eure Tochter heiratet!«
Northumberland lächelte und brach schließlich in Gelächter aus. »Ich glaube, sie wird über den Verlust von de Vere hinwegkommen.«
Am nächsten Tag reiste Raby nur in Begleitung seines Knappen und einiger Soldaten als Eskorte von Sheriff Hutton ab. Etwa fünf Wochen lang ritt er über Nebenstraßen quer durch die Grafschaften Englands, zu den großen Familiensitzen, und flüsterte in schattigen Winkeln und vor dunklen Mauern Worte des Verrats.
Als er schließlich in den Norden zurückkehrte, hatte Raby wesentlich mehr als nur Namen gewonnen - er brachte den Wind mit sich, mit dessen Hilfe Bolingbroke erneut seine Schwingen würde ausbreiten können.
KAPITEL 6
Am Fest der Verklärung Im zweiten Jahr der Regentschaft Richard II. (Montag, 6. August 1380)
Gent war eine der größten Städte Nordeuropas. Es erstreckte sich beiderseits der Flüsse Lieve und Leie im Norden Flanderns und war durch den Handel, seine Stoffe und die weise Regentschaft des Grafen von Flandern reich geworden. Die Burg des Grafen, Gravensteen, thronte über der Stadt, und zu diesem Gebäude mit seinen hellen Steinmauern und den vielen Türmen brachte Bolingbroke seine Familie im Sommer des Jahres 1380.
Der Graf war ein großzügiger Gastgeber und freute sich sehr, Bolingbroke zu sehen, mit dem er sich schon seit Jahren nicht mehr ausgetauscht hatte, und begrüßte ebenso Mary und die restlichen Angehörigen von Bolingbrokes Haus aufs Freundlichste. Den Grund für Bolingbrokes Besuch - seine Verbannung aus England - tat der Graf mit einem Schulterzucken ab. Viele Adlige fielen hin und wieder bei ihrem König in Ungnade, und wenn sich dieser Zustand als dauerhaft erweisen sollte, nun, in Gravensteen war genug Platz für alle und ganz besonders für jemanden von Bolingbrokes Herkunft.
Ein Monat verging, dann ein zweiter. Margarets Leib wuchs weiter an.
Bolingbroke, Neville und die anderen Männer aus Bolingbrokes Gefolge gingen auf die Jagd oder übten sich im Burghof von Gravensteen im Schwertkampf. Agnes und Rosalind bekamen an der frischen Luft eine gesunde Gesichtsfarbe.
Marys anhaltende Schwäche und ihr Unwohlsein wurden hingegen von einer unerklärlichen Teilnahmslosigkeit begleitet, und niemandem gelang es, sie aufzuheitern. Viele Stunden lang starrte sie apathisch aus dem Fenster oder spielte gedankenlos mit Rosalind.
Wenn sie mit Bolingbroke des Nachts in ihrem Gemach allein war, sagte sie kaum ein Wort. Er fragte sie immer wieder, was sie auf dem Herzen habe, und bat sie, ihm ihre Ängste anzuvertrauen, wie einst in jener Nacht in Kenilworth, doch Mary schwieg.
Sie fürchtete, er könnte dieses Mal womöglich tatsächlich ehrlich zu ihr sein, und das konnte sie im
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