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Gesang des Drachen

Gesang des Drachen

Titel: Gesang des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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voran auf den Drakkyr. Das Wesen stellte sich auf beide Hinterbeine. Die Zähne schnappten aufeinander.
    Naburo stieß zu, mitten in den Kopf der Bestie hinein. Mit einem eleganten Satz landete er einige Schritte entfernt. Sein Herz raste, doch die Hände, die das Schwert geführt hatten, waren ruhig.
    Der Drakkyr heulte ein lautes, unheimliches Lied. Die Beine gaben unter ihm nach. Er sank in den violettfarbenen Sand, seine Haut brodelte wie kochender Teer. Der lange Schweif peitschte zweimal hin und her, dann erlosch er und blieb schlaff zwischen den Hinterpfoten liegen.
    Naburo trat näher. Er hielt das Schwert schützend vor sich, bereit, jederzeit ein weiteres Mal zuzustoßen. Aber das war nicht notwendig. Der Drakkyr regte sich nicht mehr. Er war tot.
    Atemlos drehte Naburo sich zu Torio um, der den Bogen lässig in einer Hand hielt. »Warum hast du nichts getan?«, herrschte er seinen Bruder an.
    Torios rotbraune Augen verfärbten sich quecksilbern. »Warum hast du es nicht zugelassen? Ich sagte dir, dass es eine Hilfe ist.«
    »Was meinst du damit?«
    »Wirst du mir zuhören, wenn ich rede?«
    Naburo dachte über diese Bitte nach, dann nickte er. »Ja.«
    »Es ist die letzte Hürde.« Torio trat näher, nahm Naburos Schwertspitze und legte sie sich auf den Bauch. »Du musst mich töten, Naburo. Wir beide müssen sterben. Nur deshalb bist du an diesen Ort gekommen.«
    Naburos Augen weiteten sich. »Du bist verrückt geworden!«
    »Nein. Ich bin gar nicht da. Das alles ist nicht da.« Torio machte eine weite Geste mit dem Arm, die den violettfarbenen Sand und die reich behangenen Büsche und Bäume bis hin zu einem fernen Meer umspannte. »Du bist in Innistìr. Das ist der Wall, der dich vom Ziel trennt. Von Cuan Bé.«
    Das Wort Cuan Bé löste eine Vertrautheit in Naburo aus, die er nicht einordnen konnte. Irgendwo hatte er diesen Namen schon einmal gehört. »Ich verstehe nicht ...«
    »Du hast es vergessen, Bruder. Aber du bist auf einer Queste und hast dich zu beweisen. Um nach Cuan Bé zu gelangen, musst du deinen Geist auflösen. Und ich bin dein letzter Wächter; das, was deinen Verstand zusammenhält. Ein Sinnbild für alles, was dich ausmacht, denn ich bin dein Spiegel, und in mir erkennst du dich selbst. Genau deshalb musst du mich vernichten. Es gibt kaum etwas, das dir schwerer fällt, als loszulassen. Du musst die Kontrolle über deine Gedanken vollständig aufgeben. Dich selbst zerstören und zu Nebel werden. Nur dann wirst du das Ziel deiner Suche erreichen. Töte mich. Und danach dich selbst. Oder gib auf und bleibe für immer im Dazwischen dieses Zaubers.«
    Naburo starrte auf die Klinge, deren Spitze Torio berührte. »Ich kann das nicht.«
    »Dann hast du versagt.«
    Zorn stieg in Naburo auf. »Versagt? Weil ich mein eigenes Fleisch nicht töte?«
    »Ich habe dir alles gesagt, was du wissen musst. Tu, was getan werden muss. Für Innistìr.«
    »Torio, ich habe dich schon einmal getötet! Durch meinen Verrat! Du warst unschuldig, was Kariyanas Tod betrifft, aber ich habe dich nicht einmal angehört. Denkst du, ich möchte einen solchen Fehler zweimal machen und dich erneut verurteilen?« Naburo wollte glauben, dass sein Bruder ein Trugbild war, aber er konnte es nicht. Torio fühlte sich real an. Alles fühlte sich real an. Und was, bei allen Marder-Oni der Berge, sollte dieses Innistìr sein?
    »Entscheide dich.«
    Obwohl das Schwert auf Torios Bauch gesetzt war, fühlte sich Naburo, als läge es an seiner Kehle. Er spürte tief in sich hinein, durchdrang Torio und die Umgebung mit seinen elfischen Sinnen. Es gelang ihm mühelos. Dies war Bóya, und vor ihm stand sein Bruder. Daran bestand für ihn nicht der geringste Zweifel. Er konnte weder einen Zauber noch eine andere magische Beeinflussung orten.
    Unsicher blinzelte er. »Du verlangst wirklich, dass ich dich töte und danach mich selbst?«
    »Ja«, sagte Torio.
    Naburo senkte das Kinn eine Handbreit. »Dann tue ich es. Du bist mein Blut. Ich vertraue dir.« Einen Augenblick wartete er und hoffte, dass Torio sein Anliegen zurücknahm. Torio tat es nicht. Auffordernd sah er Naburo entgegen. Sein Gesicht zeigte keine Regung.
    Was, wenn das ein Trick der Oni-Krieger ist, die mich täuschen wollen, damit ich den eigenen Bruder umbringe?
    »Tu es. Für mich.«
    Naburo stieß zu, durchbohrte Torios Bauch, bevor er hinter den Bruder trat, sich an ihn presste, mit beiden Händen um ihn herumfasste und die Klinge durch den eigenen Leib trieb.
    Im

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