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Gesang des Drachen

Gesang des Drachen

Titel: Gesang des Drachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claudia Kern
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dann nahm sie ihr Kopftuch ab und kniete nieder.
    »Oh Schattenlord«, sagte sie so leise, dass Marcas sie kaum verstehen konnte. »Bitte verzeihe mir meinen schweren Fehler. Unser Prophet Rimmzahn nennt die Kinder unseren Schatz, und ich bin stolz, dass er mich auserkoren hat, an ihrer Seite in die neue Welt zu schreiten. Ich weiß nicht, wie ich den Plan vergessen konnte, aber es ist passiert. Es tut mir leid.«
    Sie machte eine kurze Pause. »Und bitte sorg dafür, dass Bridget mich nicht verrät. Die blöde Schlampe würde sogar mit Frans schlafen, wenn es ihr einen Vorteil brächte. Amen.«
    Rasch setzte sie sich ihr Kopftuch wieder auf und rückte es zurecht, dann nahm sie die Kiste in beide Hände und trug sie den Gang hinunter.
    Was ist wohl in diesen Kisten?, fragte sich Marcas. Er wartete, bis es in der Höhle wieder still wurde, bevor er das Fass zur Seite schob und sein Versteck verließ. Der Stapel, von dem die Menschenfrau ihre Kiste genommen hatte, war nun so niedrig, dass Marcas den Deckel der darunter stehenden sehen konnte. Sie war vernagelt, er würde sie nicht öffnen können.
    Aber ich kann sie tragen, dachte er.
    Vier seiner Tentakel reichten, um die Kiste herauszuziehen und über den Stein zum Eingang zu schieben.
    Marcas blieb auf dem Weg und nutzte den festgetretenen Sand. Als er den Uferstreifen erreichte, zögerte er einen Moment, doch dann zog er die Kiste ins Wasser. Er musste das Risiko, den Inhalt zu ruinieren, eingehen, denn er konnte sie nicht an Land befördern.
    Die Kiste hinter sich herziehend, schwamm er los, und obwohl Marcas nicht darüber nachdenken wollte, stellte er sich doch die Gesichter seiner Freunde vor, wenn er ihnen seine Beute zeigte. Er hoffte, dass er Stolz darin lesen würde.
     
    Simon wusste, dass das, was er plante, gefährlich war, deshalb hatte er den anderen nichts davon gesagt. Sie hätten nur versucht, ihn aufzuhalten.
    Er ging über den Platz. Aus den Augenwinkeln bemerkte er, dass seine Bewacher ihm folgten, aber sie hielten Abstand und sprachen ihn nicht an.
    Die Versammlung löste sich langsam auf, Menschen und Elfen kehrten zu ihrer Arbeit zurück. Wer ihn sah, wandte den Blick ab oder ging ihm rasch aus dem Weg. Micahs Tod hatte allen gezeigt, was geschah, wenn man sich mit Ungläubigen einließ.
    Ein falsches Wort hatte gereicht, um einen Menschen zum Tode zu verurteilen. Simon konnte sich das nicht verzeihen. Er war zu arrogant gewesen, zu selbstbewusst und zu naiv. Trotz allem, was sich in den Tagen zuvor ereignet hatte, war ihm Rimmzahn nicht wie ein kaltblütiger Mörder erschienen. Noch nie zuvor hatte er sich so in einem Menschen getäuscht.
    Das Lager, in dem die Ungläubigen lebten, die man aus ihren Hütten geworfen hatte, war leer. Decken und ein paar Habseligkeiten lagen am Boden, dahinter begann der Wald. Simon stieg über sie hinweg und setzte sich auf einen umgestürzten Baum. Seine beiden Bewacher blieben stehen. Es waren zwei Männer, Menschen zum Glück und keine Elfen. Er war sich sicher, dass sie nichts bemerken würden.
    Micahs Tod hatte alles verändert, auch Simon. Er war immer der Vorsichtige gewesen, der Mahner, der Risiken vermeiden wollte und diejenigen, die wie Cedric auf schnelles Handeln drängten, aufhielt. Doch das war nun vorbei. Die Zeit arbeitete für Rimmzahn, und sie hatten ihm viel zu viel davon gewährt.
    Der Baumstamm, auf dem er saß, war breit und trocken. Simon gähnte mit offenem Mund, dann streckte er sich darauf aus und schloss die Augen, zwang sich und seinen Atem zur Ruhe. Bereits vor Stunden hatte er den Zauber eingeleitet, der seinen Geist vom Körper trennen würde. Als er ihn nun flüsternd aussprach, spürte er, wie sein Ich sich von Fleisch und Knochen trennte.
    Er öffnete die Augen und sah auf seinen Körper hinab. Der Anblick war seltsam desorientierend, und ihm wurde einen Moment lang schwindelig. Die Welt, die ihn umgab, bestand aus verwaschenen Grauschattierungen wie ein alter Schwarzweißfilm, doch seinen Körper umspielten rote und gelbe Schlieren.
    Meine Aura, dachte er. Sie verriet die starke Magie, die er in sich trug – und seinen Ärger.
    Der Zauber, der ihm Zugang zu dieser Geisterwelt gewährte, war nicht schwierig, aber gefährlich. Sein Körper war hilflos, solange er von seinem Geist getrennt war. Sollte man ihn wecken, bevor Simon zurückkehrte, würde die schwache Verbindung reißen, die noch zwischen ihnen bestand. Dann würde er für immer in dieser Welt gefangen sein, ein

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