Geschenke aus dem Paradies
der Brief wirklich von Jake stammte. Er hätte auch von einem Untergebenen geschrieben worden sein können. »Wie schade.«
»Also, woher kennst du Kerry Anne Hunstanton?«
»Ich habe sie in der Kanzlei ihrer Anwälte kennen gelernt, wo ich in Erfahrung bringen wollte, ob Paradise Fields dem Hospiz gehört – was übrigens nicht der Fall ist. Dann bin ich ihr noch einmal in der Drogerie begegnet. Sie hat verzweifelt nach irgendetwas gesucht, und ich habe von deinen Produkten erzählt. Sie war sehr interessiert, und jetzt möchte sie dich besuchen. Bist du einverstanden, wenn ich sie mitbringe? Du musst ihr natürlich für alles, was sie kauft, absolut halsabschneiderische Preise abknöpfen.«
Sacha lachte. »Ihr könnt ruhig kommen, so lange es euch nichts ausmacht, wenn ich dabei ein wenig arbeite. Wie wär’s mit Dienstag?«
»Morgen?« Das war nicht gerade der günstigste Termin für Nel, da sie noch einen Schaufelraddampfer machen musste.
»Ja, am Tag danach fahre ich nach Oxford. Dort gibt es ein Haus mit einem Nebengebäude im Garten, das vielleicht geeignet wäre.«
»Aber das ist ja meilenweit von hier entfernt!«
»Und das Haus ist ziemlich klein. Trotzdem, ich muss allen Möglichkeiten nachgehen.«
Andererseits konnte Nel den eigentlichen Kuchen noch am Nachmittag entwerfen und backen und ihn dann morgen Nachmittag dekorieren. »Kerry Anne und ich werden gegen elf bei dir sein, in Ordnung?«
Nel fand, dass Beschäftigung die beste Methode war, um über Jake Demerand hinwegzukommen; wahrscheinlich hatte sie allen Grund zur Dankbarkeit, dass er ausgerechnet zu einer Zeit in ihr Leben getreten war, in der sie so viel um die Ohren hatte. Unglücklicherweise hatte sowohl die Geschichte mit den Wiesen am Fluss als auch die mit dem Bauernmarkt mit ihm zu tun, sodass sie keine echte Ablenkung darstellten.
Kerry Anne und Pierce hatten ein Cottage auf der anderen Seite der Stadt gemietet. Als Nel sie abholte, sah Kerry Anne entzückend aus. Vor nicht allzu langer Zeit hätte Nel sie einfach um ihre Schönheit beneidet und sich die Sache dann aus dem Kopf geschlagen. Seit ihrer Erfahrung mit Jake dachte
sie jedoch viel häufiger über sich und ihre Schönheitspflege nach. Es gab keinen Zweifel daran: Das Ganze mochte ein One-Night-Stand gewesen sein (tatsächlich war es genau
das gewesen, zwang Nel sich zuzugeben), aber es hatte einen Teil von ihr zum Leben erweckt, der lange Zeit geschlafen hatte. Jake mochte zwar ein One-Night-Stand gewesen sein, aber vielleicht sollte sie sich jemanden suchen, der das nicht war. Irgendwie klammerten diese Überlegungen Simon aus.
»Also, wo fahren wir hin?«, fragte Kerry Anne, als sie ihre eleganten Gliedmaßen in Nels alles andere als elegantem Wagen untergebracht hatte.
»Es ist nicht weit. Nur ein kleines Stück von der Stadt entfernt.«
»Aber das ist ja bloß ein Cottage«, rief Kerry Anne, als Nel vor einem kleinen Haus aus rotem Ziegelstein hielt, das von Feldern umringt war.
»Aber es passt eine Menge hinein.« Nel drückte auf die Klingel.
Sacha war selbst die beste Reklame für ihre Produkte, die man finden konnte. Jünger als Nel, älter als Kerry Anne, stellte ihr strahlender Teint selbst für Kerry Annes jugendliche Taufrische eine echte Konkurrenz dar.
»Kommt doch rein«, sagte sie und hielt die Tür weit offen.
»Sacha, das ist Kerry Anne Hunstanton. Kerry Anne, Sacha Winstone, die Begründerin von Sacha’s Natural Beauty.«
Kerry Anne nickte, reagierte aber weniger überschwänglich, als Nel es gern gesehen hätte.
Sacha gab Kerry Anne die Hand. »Kann ich euch etwas zu trinken anbieten, oder wollt ihr euch gleich ansehen, was hier so passiert?«
»Zeig uns deine Produktion«, sagte Nel, die genau die Therapie brauchte, von der sie wusste, dass man sie in Sachas Arbeitsräumen fand.
»Dann folgt mir, und seid vorsichtig auf der Treppe.«
»Aber das ist ja winzig!«, sagte Kerry Anne, als sie zu dritt zu Sachas Dachboden hinaufstiegen. »Ich hatte eine Fabrik erwartet!«
Am Ende des Bodens stand ein Arbeitstisch aus weißem Melamin. Dahinter standen reihenweise Regale, auf denen Flaschen verschiedener Größen aufgereiht waren, aber sie waren alle recht klein. An den Arbeitstisch schlossen sich im rechten Winkel eine Spüle, ein Bunsenbrenner und Kisten mit größeren Behältern und Wannen an. Gegenüber stapelten sich längs der Wand Plastikboxen bis zur Decke. Jeder Zoll des Dachbodens war genutzt, nichts befand sich dort, was nicht dort
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