Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
akzeptierten die Bolschewiki die Idee eines "Komitees der Verteidigung": gerade dieses Komitee sollte die Aufgabe haben, alles auf die Verteidigung der Hauptstadt Bezügliche in seinen Händen zu konzentrieren. Das war ein wichtiger Schritt. Indem er die gefährliche Waffe den Händen des Gegners entwand, behielt der Sowjet die Möglichkeit, je nach den Umständen den Beschluß über die Versetzung der Truppen in die eine oder andere Richtung zu wenden, jedenfalls aber gegen Regierung und Versöhnler.
Die Bolschewiki griffen um so selbstverständlicher das menschewistische Projekt eines militärischen Komitees auf, als in ihren eigenen Reihen schon vorher wiederholt die Rede von der Notwendigkeit gewesen war, rechtzeitig ein autoritatives Sowjetorgan für die Leitung der künftigen Umwälzung zu schaffen. In der Militärischen Parteiorganisation war sogar ein entsprechender Entwurf in Bearbeitung. Die Schwierigkeit, die man bisher nicht zu überwinden vermocht hatte, bestand in der Verbindung des Aufstandsorganes mit dem gewählten und offen auftretenden Sowjet, dem überdies Vertreter feindlicher Parteien angehörten. Die patriotische Initiative der Menschewiki ,kam höchst gelegen, die Schaffung des revolutionären Stabes zu erleichtern, der bald in "Militärisches Revolutionskomitee" umgetauft und zum Haupthebel der Umwälzung wurde.
Zwei Jahre nach den hier geschilderten Ereignissen schrieb der Autor dieses Buches in einem der Oktoberumwälzung gewidmeten Artikel: "Sobald der Befehl über die Versetzung der Truppenteile vom Bezirksstab dem Exekutivkomitee des Petrograder Sowjets übergeben worden war ... wurde klar, daß diese Frage in ihrer weiteren Entwicklung von entscheidender politischer Bedeutung werden konnte." Die Idee des Aufstandes begann jäh Gestalt anzunehmen. Es war nicht mehr notwendig, ein Sowjetorgan zu erfinden. Die wirkliche Bestimmung des künftigen Komitees wurde unzweideutig durch die Tatsache unterstrichen, daß Trotzki in der gleichen Sitzung seine Rede zum Auszug der Bolschewiki aus dem Vorparlament mit dem Ruf schloß: "Es lebe der offene und direkte Kampf um die revolutionäre Macht im Lande!" Das war die in die Sprache der Sowjetlegalität übersetzte Losung: "Es lebe der bewaffnete Aufstand!"
Gerade am nächsten Tage, dem 10., nahm das Zentralkomitee der Bolschewiki in einer Geheimsitzung Lenins Resolu
tion an, die den bewaffneten Aufstand als die praktische Aufgabe der nächsten Tage stellte. Die Partei bekam von nun an eine klare und imperative Kampfeinstellung. Das Komitee der Verteidigung wurde in die Perspektive des unmittelbaren Kampfes um die Macht eingeschaltet.
Die Regierung und ihre Verbündeten umgaben die Garnison mit konzentrischen Kreisen. Am 11. meldete der Kommandierende der Nordfront, General Tscheremissow, dem Kriegsminister die Forderung der Armeekomitees, die ermüdeten Fronttruppenteile durch Petrograder Reserven zu ersetzen. Der Frontstab war in diesem Falle nur eine Vermittlungsinstanz zwischen den Versöhnlern bei der Armee und deren Petrograder Führern, die eine breitere Deckung für Kerenskis Pläne anstrebten. Die Koalitionspresse begleitete die Umkreisungsoperation mit einer Symphonie patriotischer Raserei. Die täglichen Versammlungen der Regimenter und Betriebe jedoch bewiesen, daß die Musik der Regierenden unten nicht den geringsten Eindruck machte. Am 12. gab die Versammlung einer der revolutionärsten Fabriken der Hauptstadt (Stari-Parvyeinen) auf die Hetze der bürgerlichen Presse die Antwort: "Wir erklären kategorisch, daß wir auf die Straße gehen werden, sobald wir es für nötig erachten sollten. Uns schreckt nicht der nahe bevorstehende
Kampf, und wir glauben fest, daß wir aus ihm als Sieger hervorgehen werden."
Indem es die Kommissionen zur Ausarbeitung der Verordnung für das "Komitee der Verteidigung" ins Leben riet, hatte das Exekutivkomitee des Petrograder Sowjets für das Militärische Organ folgende Aufgaben vor Augen: in Verbindung zu treten mit der Nordfront und dem Stab des Petrograder Bezirkes, mit dem Zentrobalt und dem Distriktsowjet von Finnland zur Klärung der militärischen Situation und der notwendigen Maßnahmen; Vornahme einer Überprüfung des Personenbestandes der Garnison von Petrograd und Umgebung, wie auch der Kriegsausrüstung und Verpflegung; Ergreifung von Maßnahmen zur Aufrechterhaltung der Disziplin in den Soldaten- und Arbeitermassen. Die Formulierungen waren
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