Geschlossene Gesellschaft
will.«
»Nun, dann werde ich Ihnen seine Adresse heraussuchen.« Sie stand auf und schob sich atemlos an mir vorbei an einen Aktenschrank. Nach einigen Sekunden zog sie einen Brief heraus. »Hier haben wir es schon. Mr. Charles V. Pragnell, Pragnell-Pierce, Theatrical Celebrity Agency, Bridle Street, Soho, London West One. Er kann Ihnen alles über Hildebrand Lightfoot sagen, was Sie wissen wollen. Und noch einiges mehr.«
»Hoffentlich haben Sie recht.« Ich hatte es eilig wegzukommen, um die vage Hypothese zu erproben, die sich in meinem Kopf zu formen begann, und trat zur Tür. Warum sollte Lightfoot am Freitag, dem 21. August, in Dorking gewesen sein und nicht am Montag, dem 24., in Bournemouth? Was war dazwischengekommen? Was hatte ihn davon abgehalten, seine Verpflichtung zu erfüllen? Und wo...?
»Wollen Sie jetzt dorthin fahren, Darling?«
»Ehm... ja.«
»Nun, wenn Sie Mr. Pragnell antreffen, würden Sie ihn dann bitten, eine Nachricht an seinen nichtsnutzigen Klienten weiterzuleiten?«
»Sicher.«
»Bitten Sie Mr. Pragnell, Hildebrand zu sagen, dass Gladys ihn vermisst. Obwohl er es nicht verdient.« Sie errötete. »Er ist trotzdem ein netter Kerl.«
Es dämmerte bereits, als ich Soho erreichte. Das unangenehme Büro der Pragnell-Pierce Theatrical Celebrity Agency befand sich im Keller unter einem grell dekorierten Tattoogeschäft. In dem unbesetzten Vorzimmer klingelte ein Telefon, und ich hörte jemanden im anderen Zimmer in ein anderes Telefon sprechen.
»Sagen Sie ihm, dass er Charlie Pragnells Wort darauf hat«, dröhnte eine Stimme. »Was will er mehr?«
Ich öffnete die Tür und erblickte meine Beute: eine rundliche, gequälte Gestalt in einem engen gestreiften Anzug, die mit einer Hand abwesend einen Kreisel über den Schreibtisch drehte, während sie mit der anderen den Hörer ans Ohr presste. Pragnell zwinkerte mir ohne besonderen Anlass zu.
»Sie rührt das Zeug nicht mehr an. Keinen einzigen Tropfen. Nein, natürlich wird es nicht wieder so sein wie in Wolverhampton. Wofür halten Sie mich?«
Ich schaute mich durch den dichten Zigarettenrauch im Zimmer um. An den Wänden hingen glänzende Fotos von grinsenden Männern und Frauen mit Schlafzimmerblick, die vermutlich Pragnells Klienten waren. War einer von ihnen Hildebrand Lightfoot? Ich konnte ihn unmöglich erkennen, da ich ihm in der Nacht, in der unsere Wege sich gekreuzt hatten, keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt hatte. Max hatte vielleicht genauer hingesehen, aber...
»Nun, tun Sie Ihr Bestes, mehr verlange ich gar nicht. Ja, natürlich. Auf Wiedersehen.«
War Max schon vor mir hier gewesen? Hatte er dem Mann dieselbe Frage gestellt, die ich stellen wollte? Warum war ihm die Antwort so wichtig gewesen ? Ich stand entweder vor einer Entdeckung oder vor einer Enttäuschung. Auf jeden Fall kurz vor dem Ende meiner Suche.
»Den bin ich endlich los«, brummte Pragnell zum Telefon, bevor er zu mir aufschaute. »Nun, was kann ich für Sie tun? Solange Sie nicht einen Komiker wollen, der die Menschen wirklich zum Lachen bringt, kann ich Ihnen vielleicht helfen.«
»Ich versuche, einen Ihrer Klienten zu finden.«
»Sind Sie von der Finanzbehörde?«
»Nein.«
»Wie schade. Sonst hätte ich wenigstens glauben können, dass Sie Geld verdienen. An welcher meiner glänzenden Berühmtheiten sind Sie denn interessiert?«
»Hildebrand Lightfoot.«
»Alfie Lightfoot? Nun, er ist wirklich berühmt, nicht wahr? Und zwar mehr denn je, seit er seinen letzten Zaubertrick vorgeführt und sich selbst zum Verschwinden gebracht hat.« Er bemerkte meinen verwirrten Blick und fügte hinzu: »Hildebrand war sein zweiter Vorname. Er benutzte ihn nur auf der Bühne. Außerhalb der Bühne ist er einfach Alfie. Oder vielmehr, er war.« »Er war?«
»Ich habe ihn seit drei Monaten nicht mehr zu Gesicht bekommen. Er ist verschwunden wie eines seiner weißen Kaninchen. Durch den Boden seines eigenen Zylinders gefallen.«
»Er sollte in der Woche ab dem 24. August in Bournemouth auftreten, glaube ich.«
Pragnell runzelte die Brauen. »Allerdings. Sie sind sehr gut informiert, das muss ich schon sagen. Warum suchen Sie ihn?« »Das ist eine persönliche Angelegenheit.« »Das sagte der andere Bursche auch.« »Welcher andere Bursche?«
»Sie erinnern mich an ihn. Ich würde sagen, Sie sind beide aus derselben Schublade des Lebens. Nicht ganz unten, aber auch nicht ganz oben. Er hat hinter Alfie her geschnüffelt, als die Spur noch ein gutes Stück
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