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Geschöpfe Der Ewigkeit

Geschöpfe Der Ewigkeit

Titel: Geschöpfe Der Ewigkeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christopher Pike
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der das Orakel von Delphi besuchte und erfuhr, daß das Kind seiner Tochter dazu bestimmt war, seinen Tod herbeizuführen. Perseus und seine Mutter wurden darum in eine Truhe geschlossen und auf dem Ozean ausgesetzt. Die Truhe wurde nach Seriphus geschwemmt, wo ein Fischer sie entdeckte und sie zum König des Landes brachte, Polydectes, einem großzügigen Mann, der die beiden liebevoll aufnahm. Als Perseus zu einem jungen Mann herangewachsen war, schickte ihn Polydectes fort, damit er die Medusa besiege, ein entsetzliches Ungeheuer, das sein Land verwüstete und Menschen in Stein verwandelte. Die Geschichte sagt, daß Medusa einst ein schönes Mädchen gewesen war, das besonders durch sein wundervolles Haar geschmückt wurde. Doch sie wagte es, sich selbst mit Athene zu vergleichen, und als Strafe verwandelte die Göttin ihre schönen Locken in gefährliche, züngelnde Schlangen, wodurch Medusa zu einem Ungeheuer wurde.« Dante schaut mich an. »Aber so war es nicht.«
    Wider Willen muß ich lächeln. Schließlich ist es nur eine Geschichte.
    »Was geschah wirklich, mein Freund?« frage ich, und in meiner Stimme schwingt leichter Spott mit.
    Dante läßt sich auch dadurch nicht von seinem Vorhaben abbringen. »Die Medusa hat sich niemals mit irgend jemandem verglichen. Sie hielt sich selbst für außerhalb jedes Vergleichs, jenseits aller Götter und Göttinnen. Nur ihr Haar wurde zu einem Ungeheuer – ihr Gesicht blieb wunderschön.«
    Ich lache. »Das ist gut zu wissen.«
    »Es ist wichtig. Schließlich kann man nicht genau sagen, ob es ihre Schönheit oder die Schlangen auf ihrem Kopf waren, die Menschen und andere Lebewesen in Stein verwandelten. Aber ich muß mit der Geschichte fortfahren. Perseus, der von Athene ein göttliches Schild und von Hermes geflügelte Schuhe erhalten hatte, erreichte Medusas Höhle, während das Ungeheuer schlief. Er gab sich große Mühe, sie nicht direkt anzuschauen. Überall um ihn herum in der Höhle befanden sich die versteinerten Gestalten der Männer, Frauen und Tiere, die das gefährliche Geschöpf direkt angesehen hatten. Er nahm nur Medusas Spiegelbild in seinem blinkenden Schild zur Hilfe. Indem er dem Ungeheuer den Kopf abschnitt, beendete er Angst und Schrecken ihrer Herrschaft.«
    »Und dann gab er den Kopf Athene?« Bisher habe ich geglaubt, das Ende der Geschichte zu kennen. Aber Dante schüttelt sein Haupt und spricht ernsthaft weiter:
    »Das stimmt nicht. Er behielt ihn selbst. Nur mit dem Kopf der Medusa war er in der Lage, Atlas zu besiegen und seine goldenen Äpfel zu stehlen. Nur mit Medusas Kopf gelang es ihm, den Titan, der Andromeda verschlingen wollte, in Stein zu verwandeln. Andromeda wurde später bekanntermaßen seine Frau.«
    Erneut schüttelt Dante den Kopf. »Perseus hat den Kopf niemals weggegeben.
    Er war eine zu nützliche Waffe für ihn.«
    Ich lächle noch immer, obwohl mir bewußt ist, daß wir uns Landulfs Schloß immer mehr nähern. Der Wald hat sich verändert, ist wilder und dunkler geworden. Die Zweige der Bäume scheinen wie Arme, die den Weg versperren, die Blätter wie scharfe Nägel. Dunkelheit schwebt über dem Land und hinterläßt ihren Eindruck sogar in meiner Seele, die normalerweise durch so elementare Schwingungen nicht zu beeinflussen ist. Selbst die Strahlen der Sonne wirken weniger hell, denn eine Art Staub liegt in der Luft, der allem den Glanz und die Unbeschwertheit nimmt. Es riecht nach Rauch, und ich glaube, den Geruch verbrannter Körper wahrzunehmen. Doch immer noch bin ich fest davon überzeugt, ein unverwundbarer Vampir zu sein und damit alles andere als ein leichtes Opfer für Landulf und seine Schwarze Magie.
    »Das ist bloß eine Version der Geschichte«, entgegne ich.
    Dante betrachtet mich enttäuscht.
    »Es ist die richtige Version, meine Dame«, korrigiert er mich. »Es ist eine wichtige Geschichte, die viele bedeutende Wahrheiten enthält.«
    »Aber diese wirst du mir ein anderes Mal erklären müssen.« Ich verstumme und betrachte die Landschaft, die vor uns liegt. Wir befinden uns in einer zer-klüfteten Berggegend mit harten Felsen und ausgetrockneten Flußbetten. In der Ferne hängt ein dunkler Nebel, den selbst mein übernatürlicher Gesichtssinn nicht durchdringen kann. Diese unnatürlich wirkende Wolke schwebt vor einem riesigen steinernen Etwas, dessen Einzelheiten ich nicht erkennen kann. »Was ist das?« frage ich, während ich auf das Gebilde deute.
    Dante ist plötzlich wieder der ängstliche Narr.

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