Geschöpfe Der Ewigkeit
Wagen wendet. In Sekundenschnelle ist das Gefährt außer Sichtweite. Langsam gehe ich auf den überlebenden Soldaten zu, der sich zur Seite bewegt hat, um die Frauen vorbeizulassen. Ich bewundere seinen Mut und daß er nicht versucht hat zu entkommen. Trotzdem jedoch ist er ein Entführer, und ich bin durstig. Der Soldat zieht sein Schwert, als ich mich nähere, aber ich schüttele den Kopf.
»Du wirst sterben«, sage ich. »Es ist besser für dich, dich nicht zu wehren.«
Er schwingt es in Richtung meines Kopfes, aber verfehlt ihn. Ich springe vor, ergreife die Hand, die das Schwert hält, und schaue ihm in die ängstlich blicken-den Augen. »Wer hat euch beauftragt, diese Frauen gefangenzunehmen?« frage ich. »Landulf?«
Er schüttelt den Kopf. »Nein.«
»Wer war es dann?«
Er weigert sich, mir zu antworten, obwohl ich ihn mit meinem Blick unter Druck setze. Noch immer schüttelt er den Kopf, was mich verwirrt. Schließlich ziehe ich ihn vom Pferd und werfe sein Schwert beiseite. Ich hole sein Gesicht nah zu mir heran und lasse ihn meinen warmen Atem spüren.
»Wie ist er?« frage ich.
Der Mann bleibt stur. »Er ist mein Herr und Meister.«
»Ist er böse?«
Er lächelt höhnisch. »Du bist böse!«
Ich muß wider Willen lachen. »Vermutlich bin ich das – zu dir.«
Er stirbt in meinen Armen an Blutverlust. Ich fühle mich erfrischt und bereit für neue Aufgaben. Die Leichen der Soldaten verstecke ich in den Büschen neben dem Weg. Das Blut auf dem Pfad bedecke ich mit Erde. Ich wasche mich und kleide mich erneut wie ein Junge, wobei ich meine langen Haare wieder unter einer Kappe verberge. Dann gehe ich zum Schloß und klopfe mutig an das eiserne Tor, welches den Eingang zur Festungsanlage bildet. Soldaten öffnen mir die Pforte, und ich sage ihnen, wozu ich gekommen bin.
»Ich möchte Landulf von Capua sprechen«, erkläre ich mit kraftvoller Stimme. »Bringt mich zu ihm.«
Sie führen mich über den von Soldaten bevölkerten, rauchigen Schloßhof zum eigentlichen Burgtor. Ein Bediensteter erscheint und nach ihm noch einer. Sie alle wirken ganz normal auf mich, während ich sie offensichtlich irgendwie nervös mache. Schließlich tritt die Hausherrin ein, Landulfs Gattin, die Dame Cia. Sie ist eine bemerkenswerte Frau, die eine am Hals hochgeschnittene Tunika mit engen Ärmeln trägt, welche in der Taille durch einen Gürtel zusam-mengehalten wird. Zahlreiche Juwelen schmücken ihre Frisur und ihre Hände.
Ihr Haar ist schwarz, und ihre Augen sind ebenso dunkel. Und das, obwohl sie nicht südländischer, sondern englischer Herkunft ist. Sie lächelt mir entgegen, aber das Lächeln erreicht nur ihren Mund, nicht ihre Augen. Sie ist ungewöhnlich schlank und hält sich äußerst gerade. Ich kann nicht sagen, daß sie auf Anhieb mein Herz gewinnt, aber zumindest wirkt sie nicht bedrohlich auf mich. Und sie scheint auch in mir keine Bedrohung zu sehen. Meine Waffen habe ich bei den versteckten Leichen der Soldaten zurückgelassen.
Die Dame Cia bittet mich ohne Umstände, näherzutreten.
Ich frage nicht, wie ein Mann, der einst Erzbischof war, nun zu einer Frau kommt. Da der Papst ihn verstoßen hat, sage ich mir, hat er sich vermutlich entschlossen, sein Leben von nun an so ausgiebig wie möglich zu genießen.
»Es kommt nicht häufig vor, daß Besucher aus Griechenland zu uns kommen«, sagt sie, nachdem ich ihr erklärt habe, welches die letzte Station meiner Reise war. »Aber das ist nicht Eure Heimat, nicht wahr, Sita?«
Ich nehme die Kappe ab und schüttele mein blondes Haar. »Nein, ich stamme wie Ihr aus England.«
Sie wirkt erfreut. »Ihr seid eine gute Beobachterin. Aber gewiß reist Ihr nicht ganz allein durchs Land.«
Ich gebe mich traurig. »Nein. Ich bin zusammen mit meinem Onkel gereist.
Aber es gab einen Unfall, bei dem er getötet wurde.«
Sie legt die Hand auf ihre Brust. »Das tut mir leid. Wie kam es zu dem Unfall?«
»Sein Pferd ging mit ihm durch. Er stürzte und brach sich den Hals.«
Sie schüttelt den Kopf und führt mich tiefer in die Burg. »Meine Arme, das muß entsetzlich für Euch sein. Aber bei uns findet Ihr Nahrung und Unterkunft.«
»Vielen Dank.«
Das Schloß ist beeindruckend, und obwohl ich nach etwas Ungewöhnlichem Ausschau halte, ist das einzig Merkwürdige, was ich entdecke, ein für sizilianische Verhältnisse beeindruckender Reichtum. Landulf besitzt Skulpturen, die aus den verschiedenen Ländern ums Mittelmeer stammen. Der Marmor auf dem Boden
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