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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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Dunkelheit, als hätte mein rasender Lancia die Nacht im Schlepptau.
    »Ja. Mein Privatvermögen. Nun, ist Ihnen jemand dazu eingefallen?«
    »Ja. Aber wie soll ich mir ganz sicher sein? Ich erinnere mich an einen Mann, der könnte tatsächlich derjenige sein, den sie eben nachgemacht haben. Im Übrigen sehr gut nachgemacht haben. Glückwunsch, ich habe einen Moment lang wirklich geglaubt, Miguel zu hören. Er heißt Miguel. Ihn selbst habe ich zwar nur fünf- oder sechsmal gesehen, aber ich bin gut bekannt mit Inès, seiner jüngeren Schwester, die bei ihm lebt, mit ihm zusammenarbeitet und ihn überallhin begleitet, na ja, ich übertreibe. Jedenfalls spricht er so, wie Sie es eben vorgemacht haben, aber ist er es wirklich? Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass die beiden in eine Entführungsgeschichte verwickelt sein sollen. Ihr Geschäftsbereich ist viel bescheidener, sehr viel bescheidener. Warten wir’s ab, vielleicht wissen wir schon bald mehr.«
    »Hoffentlich. Jedenfalls danke ich Ihnen.«
    »Arbeiten Sie trotz Ihres Privatvermögens? Haben Sie einen Beruf? Was machen Sie?«
    Ich erklärte es ihr in wenigen Worten, erzählte ihr, wie die Dinge standen – Musik, Institut Benjamin, Transkriptionen von Marc Michel und schließlich von Luis Archer –, während ich auf einem Lieferantenparkplatz vor der Nummer 39a des Boulevard Voltaire parkte, vor einer für diese Zeit (zwanzig Uhr fünfzehn)normalen Ansammlung von Mülltonnen auf dem Bürgersteig – wie sollte ich nicht innerlich erbeben bei der Erinnerung an meinen Angreifer vom 10. September 1996 – und wie sollte ich nicht (ich dachte in jeder Sekunde daran) den Moment fürchten, in dem ich nach meinen diversen Ermittlungen und Untersuchungen, wieder alleine zu Haus wäre, mit meinem untröstlichen Kummer über den Verlust von Maxime?
    Irènes Telefon klingelte. Sie schaltete es umgehend aus. Besser so, denn es hatte einen unerträglichen, abnormen Lärm von sich gegeben, wie ich ihn nie zuvor von einem derartigen Gerät gehört hatte. Als sie aus dem Auto stieg, begutachtete sie ausgiebig ihren linken Unterarm an der Stelle, wo sie fürchtete, von den Nelken verletzt worden zu sein, mit der ängstlich verkniffenen Miene einer Person, die auf ihrem Körper die ersten Anzeichen eines Wundbrands entdeckt, dann warf sie mir unwillkürlich einen missmutigen Blick zu, als sei ich an ihrer Phantomwunde schuld – worauf ein verschmitztes Lächeln als Ermutigung für die kommenden Minuten folgte.
    In dieser karg und spröde hereinbrechenden Dämmerung, die der Tag bereits zu verscheuchen schien, obgleich er noch fern war, überquerten wir den breiten menschenleeren Bürgersteig des Boulevards vor der Nummer 93a.
    Eingangscode: 40B81.
    Sechste Etage, sechs Etagen in einem Fahrstuhl für anderthalb Personen, eine kurze Reise in einer bescheidenen Rakete, auf der Irène mich mit erwartungsvoller Verzweiflung abwechselnd flehentlich und feindlich anstarrte.
    Als wir angekommen waren, veränderte sie von einer Sekunde auf die andere ihre Mimik und zischte mit mahnend in die Luft gereckten Zeigefingern:
    »Sie spielen doch mit, duzen und zu allem nicken, was ich sage!«
    Sie vollführte eine Drehung wie eine Tänzerin und klingelte an der Tür von Armand Nathal (die Buchstaben seines Namens waren in ein prätentiöses goldenes Schild graviert).
    Von einer Sekunde auf die andere fühlte ich mich auf einmal sehr unbehaglich auf diesem Treppenabsatz. Aber ich empfand keine Furcht, ich konnte mir absolut nicht vorstellen, dass dort, wo Irène mich hinbrachte, eine Gefahr, eine unmittelbare, direkte Gefahr auf mich lauern sollte, nein, es gab keinen Grund, sich zu fürchten. Man mag trotzdem einwenden, dass ich eine merkwürdige Art hatte, das Heft in die Hand zu nehmen, man mag einwenden, dass ich trotz allem sehr unvorsichtig war (aber was blieb mir anderes übrig?), man mag einwenden, dass ich es so gewollt hatte (nein, keineswegs!) – aber genug, man möge mit den Einwänden auf hören und stattdessen die Lektüre fortsetzen, dann wird man schon sehen, dass ich für meinen Seelenfrieden alles tat, was in meiner Macht stand, dass ich mit meinem Handeln dem verborgenen Sinn der Dinge folgte und mich nur dem beugte, was Maxime mir meiner Ansicht nach auftrug, »das Geld steht dir zur Verfügung, es gehört dir, wie du weißt, möge es dazu dienen, Clara in deine Lebensgeschichte zu holen!«
    Armand Nathal öffnete uns, Irène und ihrem Liebhaber.
    Einen düsteren

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