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Gesetzlos - Roman

Gesetzlos - Roman

Titel: Gesetzlos - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthes und Seitz Verlag GmbH
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die im Hintergrund klingelte, sodass ich mir für einen Moment vorstellen konnte zu erwidern:
    Was erzählen Sie denn da? Hören Sie auf mit ihrer albernen Farce, ich bitte Sie! Im Übrigen höre ich gerade, wie Clara mit dem Auto im Park vorfährt. Worauf ich mir weiterhin vorstellen konnte, wie der Pseudoentführer vor Wut und Enttäuschung schimpfend aufgelegt hätte … aber so lief es nicht.
    »Anderthalb Stunden«, antwortete ich.
    Er zögerte nicht.
    »In Ordnung. Sagen wir Treffpunkt neunzehn Uhr. Und jetzt hören Sie gut zu.«
    Mit einer Stimme, in die sich Affektiertheit, Barschheit, Heuchelei und Vulgarität mengten, drängten und ineinander verschränkten, diktierte er mir seine Befehle: Ich sollte mich zur Place de la Trinité begeben und das Geld im Kofferraum eines Autos deponieren, das an der Westseite der Kirche parken würde. Dann zum Grand Café de l’Opéra auf der Place de l’Opéra fahren, wo ich Clara wohlbehalten wiederfände.
    Und alles wäre vorbei.
    Aber beim kleinsten Verrat wäre sie tot, ich war gewarnt.
    Hätte Michel Nomen, er oder irgendeine andere Person, der man einen nahestehende Menschen geraubt hätte, sich nichtwenigstens ein bisschen dagegen aufgelehnt, und wenn ja, auf welche Weise? Ich beschloss ihm mitzuteilen, dass ich in allem gehorchen würde, aber nur wenn er auf einige Forderungen einginge, die mir unter diesen Umständen nur gerechtfertigt und legitim erschienen. Wohlbehalten, hatte er gesagt? Schön, aber wenn sie es nicht war? Wenn sie verletzt war? Oder schon tot? Wenn ich es, mit Verlaub gesagt, mit einem Irren zu tun hatte, der seine niederen Instinkte befriedigt hatte und nun versuchte, mich obendrein zu erpressen? Nein, ich konnte und wollte das Risiko nicht eingehen, das Geld herauszurücken ohne die Gewissheit, tags darauf nicht um Clara trauern zu müssen. Warum also keine echte Übergabe? Ich reiche ihm mit einer Hand den Koffer und greife mit der anderen Hand nach Clara? Nein, nein, sagte er. Zu gefährlich für ihn. Er hatte seine Gründe und wolle nicht länger diskutieren. Ich blieb hartnäckig (nicht zu sehr – aber es stimmte, dass die Vorstellung, es mit einem Geisteskranken zu tun zu haben, mir allmählich Angst einjagte) und verlangte erneut eine Garantie von ihm, dass das Tauschgeschäft sauber über die Bühne ginge.
    Wie mir schien, war er über meine Haltung nicht sonderlich erstaunt – wenn er meine Hartnäckigkeit nicht einfach überschätzte (zwar besaß ich weniger Schauspieltalent als Maxime, doch war ich nicht schlecht, wenn ich mir Mühe gab) –, denn offenbar hielt er es für angebracht, mir entgegenzukommen, und schlug vor (als wäre er nicht überrascht und als hätte er seine Replik schon vorbereitet gehabt):
    »Sie machen Folgendes. Wenn Sie vom Boulevard des Italiens kommen und an der Place de l’Opéra um Punkt neunzehn Uhr nach rechts biegen, fahren sie etwas langsamer, bevor sie in die Rue Halévy biegen, dort werden sie ihre Nichte hinter der Scheibe des Grand Café de l’Opéra erblicken. Sie werden sie trotz der Entfernung problemlos erkennen. Aber unternehmen Sie weiter nichts, kommen Sie nicht näher, halten Sie nicht an. Sie würde es auf der Stelle zu spüren bekommen. Ich wiederhole: Solange Siedas Geld nicht übergeben haben, schwebt sie in Lebensgefahr, selbst in dem Café. Prägen Sie sich das gut ein: Wir wollen das Geld. Dann fahren sie von Opéra zur Trinité und geben den Koffer in der beschriebenen Weise ab. Von dem Moment an ist Clara außer Gefahr. Dann kehren Sie zur Opéra zurück, wo Clara im Grand Café auf Sie wartet, immer vorausgesetzt, dass der Inhalt des Koffers korrekt ist, wovon ich überzeugt bin, Sie gehen auf sie zu und sie gehört Ihnen. Von da an sind wir weder an Ihnen noch an Ihrer Nichte interessiert.
    Ich willigte ein. Es stand außer Frage, länger zu diskutieren.
    Nachdem wir aufgelegt hatten, beschäftigte mich noch immer irgendein merkwürdiges Detail an der Vorwegnahme der Übergabe. Wie hätte ich es angepackt? Ich gab es auf, darüber nachzudenken und konzentrierte mich auf meine Darstellung einer Person, die einen teuren, über alles geliebten Menschen wiederhaben will, jemanden, von dem sie weiß, dass sie ohne ihn bis ans Ende der Zeit nicht mehr vollständig wäre: Also hielt ich mich strikt an die Anweisungen, die man mir gegeben hatte.
    Impasse du Midi, es war totenstill, menschenleer an diesem Samstagnachmittag, und das Licht so fahl, so duster, dass man hätte meinen

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