Gestaendnis im Orchideengarten
Monster-mit-zwei-Köpfen-Blick.“
„Es geht eher darum, was Sie nicht getan haben.“ Er seufzte und nickte bedächtig. „Wie arm und hilflos sind Sie denn? Immerhin hat Ihrer Familie dieses Anwesen einst gehört, vielleicht verstehen Sie unter mittellos etwas anderes als ich?“
Sie starrte ihn ungläubig an und holte Luft. „Das glaub ich jetzt nicht. Sie denken, nur weil meine Großmutter uns ein Riesenhaus hinterließ, müsste massig Geld vorhanden sein? Da bin ich aber fassungslos.“ Sie schüttelte den Kopf. „Sie hinterließ uns auch eine Menge Schulden und Reparaturarbeiten am Haus. Ganz zu schweigen von der Erbschaftssteuer und sonstigen Ausgaben. Ich sitze hier ohne Dienstboten, ohne Angestellte, ohne Geld. Cottage Orchids ist genau das, was Sie hier mit eigenen Augen sehen können. Keine Schweizer Konten, keine stillen Reserven. Nur die Gewächshäuser, der klapprige Transporter, der Kater und ich. Der Gewinn fließt sofort zurück in den Betrieb, deshalb musste ich ja zu diesen ungewöhnlichen Maßnahmen greifen, um Sie zur Mithilfe zu bewegen. Sonst bricht mir alles weg – und ich will nicht alles verlieren.“
Leo biss sich auf die Lippe. Wie dramatisch das klang: alles bricht weg!
Die Kunden seiner Unternehmensberatung waren in der Regel finanziell so potent, dass sie, egal welche Lösung gefunden wurde, stets überleben konnten.
Saras Worte aber hatten einen persönlichen Albtraum in ihm wachgerufen, die Angst, alles könnte irgendwann wegbrechen.
Er hatte schwer dafür gearbeitet, damit ihm das nie wieder passieren konnte. Noch heute früh hatte er den aktuellen Stand seines Aktiendepots online gecheckt und befriedigt festgestellt, dass er, wenn er wollte, nie mehr arbeiten müsste.
Und dennoch verließ ihn die Angst nie wirklich.
Langsam atmete er aus, darauf bedacht, sich nicht anmerken zu lassen, welche Wirkung Saras offene, ehrliche Worte auf ihn hatten.
Sie lehnte am Türrahmen und sah ihn mit schiefem Grinsen an. In der Sonne leuchteten ihre Sommersprossen, und er wusste, dass sie alle Hoffnung auf ihn setzte, ausgerechnet auf ihn! Von Orchideenzucht verstand er so wenig wie sie von Unternehmensberatung. Immerhin stand es dann eins zu eins.
Er unterdrückte ein Gefühl von Betroffenheit. Lächerlich! Gefühlsduselei war nicht sein Ding. Sein Ding war eine unparteiische Analyse auf der Grundlage von Fakten.
Saras Ein-Frau-Unternehmen würde nicht viel Arbeit machen, sie musste nur ein paar grundlegende Tatsachen akzeptieren.
Nach langer Pause hob er das Kinn und sagte: „Ich verstehe so langsam, worum es geht. Und ich gehe davon aus, dass Sie verstanden haben, dass die Rizzi-Gruppe vom Erwerb des Grundstücks nicht zurücktreten wird. An der Tatsache ist nicht mehr zu rütteln.“
Sie biss sich auf die Lippe und nickte mehrmals. Dann sah sie ihn herausfordernd an. „Ja, ich akzeptiere, dass mein Betrieb am Ende ist und ich mit einer Zwangsräumung rechnen muss. Und was fällt Ihnen sonst noch ein?“
„Eine Frage: Haben Sie sich überhaupt schon mal professionell beraten lassen, ich meine in Sachen Marketing oder Wachstumsprognosen?“
Ah, er fing an, darüber nachzudenken .
„Nein, aber das könnte nicht schaden, wenn es mir hilft, meinen Betrieb aufrechtzuerhalten.“
Er hatte keine Ahnung, ob es das Richtige war, trotzdem begann er, ihr seine Bedingungen darzulegen. „Ich könnte mit Ihnen ein paar Möglichkeiten durchgehen, allerdings bleibt es Ihre Entscheidung, was Sie damit machen. Mit der Umsetzung habe ich nichts zu tun. Die Richtung müssen Sie selbst festlegen, doch ich kann Ihnen Wege aufzeigen, die Ihnen vielleicht bei Ihrer Entscheidung helfen.“
„Das gefällt mir. Ich bin im Moment wirklich völlig planlos.“ Sie holte tief Luft. „Eigentlich bitte ich generell nur sehr ungern um Hilfe, deshalb fällt es mir in Ihrem Fall umso schwerer. Ich würde das alles niemals tun, wenn ich nicht so furchtbar verzweifelt wäre. Ich möchte, dass Sie das wissen.“
Leo unterdrückte ein Lächeln. Wahrscheinlich hatten sie wirklich sehr viel gemeinsam. Vor allem das Gefühl, die ganze Welt habe sich gegen sie verschworen, und keine Hilfe weit und breit. Darin war er Spezialist.
Ihm kam eine Idee.
Seine Aufgabe war es, Kingsmede Manor wettbewerbsfähiger zu machen. Dazu brauchte er Insiderinformationen. Und wer wäre besser geeignet, ihm die zu liefern, als Sara, die über zwanzig Jahre hier gelebt hatte? Er musste sie nur dazu bringen, sie auszuplaudern.
Weitere Kostenlose Bücher