Geständnis unterm Mistelzweig
Schmerz. Sie erinnerte sich daran, dass es besser für sie war, vorsichtig zu bleiben.
Als sie die Wohnung betreten hatte, schaltete sie das Licht an. Die gedämpften Farbtöne ihrer Wohnungseinrichtung beruhigten sie ein wenig. Sie hatte das erste Zimmer mit soliden alten Möbeln ausgestattet, die sie mit geblümten Stoffen bezogen hatte. Auf dem Sofa türmten sich blaugrüne Kissen, auf dem Schaukelstuhl lag ein gesticktes Kissen mit einem zusammengerollten Kätzchen darauf, ein hoher Lehnsessel mit …
“Kätzchen?”
“Wo?” Egan sah sich gelassen um. Er ließ Heidi und Mona nicht los. Sie sollten ihm jetzt auf keinen Fall entkommen.
Langsam ging Chloe durch das Zimmer. Das winzigste, flauschigste Kätzchen, das sie jemals gesehen hatte, schlief fest mitten auf dem Kissen. Es trug ein rotes Samtband um den Hals, und jemand hatte offensichtlich viel Zeit darauf verwendet, den langen schwarzen Pelz zu bürsten und zu kämmen.
“Woher kommt dieses Kätzchen?” fragte Chloe.
“Ich sehe kein Kätzchen. Mädchen, könnt ihr ein Kätzchen sehen?”
“Egan, ich habe dir eine Frage gestellt.”
Heidi und Mona machten sich aus Egans Griff frei, um zu sehen, worum es hier ging. Das Kätzchen nutzte diesen Augenblick, um sich zu strecken und zu gähnen. Die kleinen Augen öffneten sich und sahen Chloe an.
Egan konnte sich nicht entscheiden, ob er weiterhin den Ahnungslosen spielen oder ein Geständnis ablegen und seine Strafe empfangen sollte. Er tat keines von beidem, sondern schaute an die Zimmerdecke, als wolle er abschätzen, ob sie einen neuen Anstrich brauchte.
“Sieh mal, es hat einen winzigen weißen Fleck gerade unter dem Kinn, wie ein Herz.” Mona kniete vor dem Schaukelstuhl und betrachtete das Tierchen. “Du könntest es Valentine nennen.”
“Das könnte ich, wenn es mein Kätzchen wäre”, erwiderte Chloe.
Ohne sie anzusehen überlegte Egan, wie er den Klang ihrer Stimme deuten sollte. Er war sich Chloes Reaktion immer noch nicht sicher und schien nun darüber nachzudenken, was eine neue Deckenlampe kosten könnte.
“Und es hat winzige weiße Pfoten”, sagte Heidi. “Du könntest es Stiefelchen nennen.”
“Heb sie hoch.” Mona sah Chloe an. “Sieh mal, sie möchte von dir auf den Arm genommen werden.”
Chloe griff nach dem kleinen Tier, weil die Kinder das von ihr erwarteten. Sie stand unter einem Schock und hätte jetzt alles getan, was man von ihr verlangte. Das Kätzchen war weich und leicht wie eine Feder. Es miaute leise, als Chloe es an ihren Pullover drückte, und schmiegte sich in die Falten.
“Siehst du, sie mag es, wenn man sie hält”, erklärte Heidi wissend.
“Hattest du schon einmal eine Katze?” fragte Mona Chloe.
“Nein.”
“Aber ich. Eine ganze Menge.”
Chloe sah Mona an.
“Nein, das stimmt nicht”, gab Mona zu. “Aber ich habe mir immer eine gewünscht.”
Chloe wollte etwas sagen. Sie wollte Mona erzählen, dass sie sich auch eine Katze gewünscht hatte. Das wäre jetzt die richtige Antwort gewesen. Aber Chloe brachte kein Wort heraus. Die Kehle war ihr wie zugeschnürt.
Sie ließ sich auf den Sessel sinken und hielt das Tier fester. Tränen liefen ihr über die Wangen.
“Chloe weint”, rief Mona. “Egan! Chloe weint!”
Im nächsten Augenblick kniete Egan neben Chloe. Er fühlte sich sehr mies. Was hatte er ihr angetan? Wie hatte er nur auf eine solche Idee kommen können?
“Meine Weihnachtswunschliste”, schluchzte Chloe. “Das stand an erster Stelle. Ich wünschte … ich wollte mir später nicht selbst eine kaufen, das wäre nicht dasselbe gewesen … wie hast du nur …”
Egan legte die Arme um sie und hielt sie. Fast hätte er auch geweint. Er sah die Mädchen an, die bedrückt schienen. “Sie ist glücklich”, versicherte er ihnen. “Sie ist sehr glücklich.”
Egan wünschte sich, jemand würde ihm das bestätigen.
“Sie sieht aber nicht glücklich aus”, wandte Mona ein.
“Kann das Kätzchen noch atmen?” wollte Heidi wissen.
“Absolut. Ich kann es hören. Geht jetzt ins Bett, Mädchen.”
“In Ordnung, ins Bett.” Mona drehte sich um und ergriff Heidi an der Hand. “Komm, ins Bett.”
Heidi ging widerstandslos mit. “Gute Nacht, wir gehen ins Bett.”
“Sie sind fort”, sagte Egan, als die Mädchen die Tür leise hinter sich geschlossen hatten.
“Meine Wunschliste.” Wieder musste Chloe weinen.
“Chloe, Liebste, es tut mir Leid. Ich weiß nicht, was ich dir angetan habe, aber es tut mir
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