Gestickt, gestopft, gemeuchelt: Kommissar Seifferheld ermittelt (Knaur TB) (German Edition)
hatte immer noch die Hornbrille auf der Nase. Sie wusste genau, was ihn antörnte.
»Siggi«, gurrte sie.
»Mein Mariannchen«, gurrte er zurück.
Pfffrrrrschschschschpfffft, ertönte es da aus dem Nebenzimmer, und fast zeitgleich war jedwedes Atmen unmöglich gemacht.
Sogar Onis wachte auf und hechelte gequält.
»Ein satter Furz zur rechten Zeit löst Krämpfe und Befangenheit«, rief Hölderlein kichernd von nebenan. »Ich hoffe, das macht euch nichts, Kinder.«
Kein Sex für Seifferheld in dieser Nacht.
3. Akt
1. Szene
(Freitagvormittag, Marktplatz)
Aus dem Polizeibericht
Zwei Trickdiebe (16, 17) betraten gestern gegen 14 Uhr einen Telefonladen im Kocherquartier. Dort hielt einer der Täter einem Angestellten (49) einen Zettel vor und überdeckte damit das auf der Verkaufstheke liegende iPhone des Verkäufers. Kurz darauf stellte der Geschädigte den Verlust seines Smartphones fest. Nach kurzer Verfolgung zusammen mit zwei weiteren im Geschäft befindlichen Kunden konnten die Jugendlichen am Säumarkt eingeholt und so lange festgehalten werden, bis die Polizei eintraf (von den beiden Kunden, der Angestellte schaffte es nicht die Treppe vom Froschgraben zum Säumarkt hinauf). Die einschlägig polizeibekannten Jugendlichen sollen heute dem Haftrichter vorgeführt werden.
Ich bin gern verheiratet. Es ist so wunderbar, diesen einen Menschen gefunden zu haben, dem man für den Rest des Lebens auf den Keks gehen möchte. (Rita Rudner)
»Romeo, o Romeo«, deklamierte eine dralle Touristin in geblümten Bermudashorts und quergestreiftem Spaghettiträgertop, beides wenig schmeichelhaft angesichts ihrer doch recht satten Proportionen.
»Ruhe, bitte!«, rief der Ordner. Er scheuchte die kleine Touristengruppe um die Dralle herum nicht gerade vom Marktplatz, lief aber wie ein Hütehund hinter Schafen immer von links nach rechts und wieder nach links, so dass ihnen gar nichts anderes übrigblieb, als weiterzutraben, und zwar die kleine Gasse hinunter in Richtung Schuhbäck, wo einst schon Dr. Faustus gespeist hatte.
Anschließend kam der Ordner zu Seifferheld zurück, der an der Rathausmauer lehnte und sich sonnte, Onis zu seinen Füßen.
Die Proben für das nächste Stück waren in vollem Gange.
»Das wird doch nicht wirklich Romeo und Julia? «, fragte Seifferheld. Auf den Stufen übten gerade drei schwindelfreie Akteure eine waghalsige Pyramidennummer.
»Quark, das werden Die Leiden des jungen Werther, aber irgendwelche Idioten deklamieren immer Versatzstücke aus dem Deutschunterricht, die sich ihnen eingebrannt haben, wenn sie mal gerade nicht popelten oder unterm Tisch Comichefte lasen. Vorzugsweise deklamieren sie dann laut. Niemand nimmt heutzutage mehr Rücksicht, alle müssen auf sich aufmerksam machen. Furchtbar ist das, ganz furchtbar. Unser Job ist richtig anstrengend geworden. Früher waren die Leute wirklich noch besser erzogen.«
Der Ordner lehnte sich kopfschüttelnd neben Seifferheld an die Rathausmauer.
Seifferheld stellte gleich die Frage, wegen der er sich zum Marktplatz bemüht hatte, bevor ein Tourist den Gründgens oder die Duse in sich entdeckte und der Ordner eingreifen musste. »Hören Sie mal, Sie kriegen doch hier alles mit, haben Ihre Augen und Ohren überall …«
Der Ordner nickte. Nicht geschmeichelt, sondern wie man eben nickte, wenn jemand eine Tatsache konstatierte.
»Wissen Sie, ob einer der Theaterleute den Spitznamen Naschkatze hat?«
»Naschkatze?«
»Genau.«
Der Mann schien zu überlegen, während er gleichzeitig den Marktplatz nach potenziellen Störenfrieden scannte.
»Jemand, der gern nascht?«, schlug Seifferheld vor. »Oder vielleicht ein Caterer.«
»Ein was?«
»Jemand, der für die Bewirtung sorgt.«
Der Ordner schüttelte den Kopf. »Hier sorgt niemand für die Bewirtung. Wir versorgen uns alle selbst.« Wie zum Beweis zog er einen Müsliriegel aus der Hosentasche. Geschmacksrichtung Walnuss-Pflaume.
Das war unergiebig. »Wen könnte ich denn sonst noch fragen?«, fing Seifferheld an, aber da geriet der Ordner neben ihm schon in helle Aufregung.
»Da … da drüben, sehen Sie das? Das kann doch nicht sein Ernst sein! Für wen hält der sich? Hallo-o! Sie da! Halt!«
Der Ordner setzte sich in Bewegung. Seine Kollegen ebenfalls. In ihren roten Poloshirts sahen sie alle gleich aus, ältere Männer, durch die Bank weg schon im Ruhestand, die es sich werktags erlauben konnten, für so gut wie kein Geld darauf zu achten, dass der Probenbetrieb nicht
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