Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Moment zurück, und der kleine Spieler brauchte nur noch sein rechtes Bein auszustrecken.
»Tor!«
Die Anhänger der Sylter Lümmel jubelten, die der Grauen Husumer saßen mit versteinerten Mienen da. Mamma Carlotta wurde von ihrem Schwiegersohn sanft auf den Sitz zurückgezogen, die drei Ersatzspieler der Sylter Lümmel hüpften um ihren Trainer herum, der auf seinem Stuhl sitzen geblieben war und mit erhobenem Daumen der Mannschaft seine Anerkennung aussprach. Einer der drei verlor im Freudentaumel sein Gleichgewicht, stolperte über seine eigenen Füße und fiel seinem Trainer auf den Schoß. Schwer stützte er sich auf Mathis’ Oberschenkeln ab, als er sich wieder aufrichtete. Mathis schrie auf, stieß den Jungen weg, der ihn erschrocken anstarrte, und tastete mit schmerzverzerrtem Gesicht seinen Oberschenkel ab.
»Ja, zu viel Freude kann wehtun«, kommentierte der Stadionsprecher und hatte die Lacher auf seiner Seite.
Das Spiel ging weiter, die Grauen Husumer schienen entschlossen zu sein, so bald wie möglich für Ausgleich zu sorgen, und foulten, was das Zeug hielt. Wieder mal war ein Sylter Lümmel zu Fall gebracht worden, und auf dem Spielfeld setzte eine hitzige Debatte ein, ob es mit Absicht oder im Eifer des Gefechts geschehen war.
Erik griff so plötzlich nach Carlottas Arm, dass sie erschrak. »Ich muss weg. Bitte erklär Felix, warum ich nicht bleiben konnte. Und sorg dafür, dass er mit einem Freund zurück nach Wenningstedt fahren kann.«
Mamma Carlotta sah ihren Schwiegersohn verständnislos an. »Wie soll ich ihm das erklären?«
Erik sah sich bereits nach einem Weg um, auf dem er am schnellsten aus den Sitzreihen herausfinden konnte. Mit einer Erregung, die Carlotta noch nie in seinem Gesicht gesehen hatte, stieß er hervor: »Du hattest recht. Es war nicht Manuel Zöllner. Ich muss verhindern, dass die Pressekonferenz im Fernsehen übertragen wird.«
Carlotta saß noch immer wie erstarrt da, als sich jemand zu ihr setzte. »Was ist los, Signora? Gerade hat der Torwart der Sylter einen Elfmeter gehalten, und Sie tun so, als wäre die Welt untergegangen.«
Statt zu antworten, griff Carlotta in Toves Bauchladen und holte sich einen Schokoriegel, ohne auch nur daran zu denken, ihn zu bezahlen.
Prompt zeigten sich Sorgenfalten auf Toves Stirn. »Ist Ihnen nicht gut?«
Carlotta schüttelte langsam, sehr langsam den Kopf. Und sie sprach erst, nachdem sie den kompletten Schokoriegel verzehrt hatte. »Ich kann’s nicht fassen. Wir haben tatsächlich recht gehabt.«
Tove sah sie verständnislos an. »Sie meinen …« Dann plötzlich begriff er, was sie meinte. »Valerie Feddersen war es tatsächlich?«
»Ja, Erik hat gesagt, ich hätte recht gehabt. Er will verhindern, dass die Pressekonferenz ausgestrahlt wird.«
»Mehr hat er nicht gesagt?«
»Nein, er ist sofort losgerannt.«
»Klar«, nickte Tove. »Um Valerie und Frettchen zu verhaften.«
»Valerie ist nicht lange im Stadion geblieben. Vielleicht hat sie gemerkt, dass Erik ein Licht aufgegangen ist. Wenn sie nach Hause gefahren ist, muss er sie bald haben.«
»Aber warum ist ihm plötzlich ein Licht aufgegangen?«
Mamma Carlotta zuckte hilflos die Achseln. »Wenn ich das wüsste! Er war die ganze Zeit schon so komisch.«
Sie wurde vom Jubel der Husumer unterbrochen, deren Mannschaft soeben ein Tor geschossen hatte. Carlotta sah, dass Felix ihr einen vorwurfsvollen Blick zuwarf. So, als wäre sie schuld an der fatalen Entwicklung des Spiels, weil sie sich auf ein Gespräch eingelassen hatte, statt Felix die Daumen zu drücken.
Sie riss sich zusammen und richtete ihr Augenmerk aufs Spielfeld, ohne zu sehen, was sich dort tat. Aber Felix durfte nicht enttäuscht werden, er musste glauben, dass seine Nonna mit Leib und Seele bei seinem Spiel war und den Sieg herbeifieberte. Ohne sich Tove zuzuwenden, ergänzte sie: »Wir werden es ja bald erfahren.«
Tove flüsterte plötzlich. »Ob Kurt Fehring die Morde begangen hat? In Valerie Feddersens Auftrag? Zuzutrauen wäre es ihm. Oder sind sie gemeinsam in das Haus eingestiegen?« Tove sah Mamma Carlotta an und lächelte. Plötzlich sprang er auf, griff seinen Bauchladen und machte sich davon. »Hier ist mir zu viel Polizei.«
Carlotta sah sich nach Erik um, aber der war nicht zu sehen. Erst als Sören sich neben sie setzte, verstand sie, was Tove gemeint hatte. »Ich suche den Chef. Er hat gesagt, ich könnte ihn hier finden, wenn was ist.«
»Hat er Sie nicht angerufen?«, fragte
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