Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
Schlinge.
Er blinzelte gegen die Sonne. »Bist du das Mädchen, das sich beworben hat? Wegen der Schreibarbeiten?«
Carolin war unfähig zu reagieren, ihre Nonna aber begriff in Sekundenschnelle, dass es eine Chance gab, Carolins Wunsch zu erfüllen, ohne zur Bittstellerin zu werden. »Ja, das ist sie!«, rief sie zurück. »Ich bin ihre Großmutter. Man kann das Kind ja nicht allein zu einem fremden Mann …« Sie brach ab, denn Gero Fürst hatte das Fenster bereits wieder geschlossen.
»Bist du verrückt?«, zischte Carolin. »Du hast gelogen!«
»Das ist deine Chance«, zischte Mamma Carlotta zurück, ohne ihr Lächeln zu verlieren. »Schreiben kannst du doch.«
»Aber ich habe mich nicht bei ihm beworben.«
»Das muss er ja nicht erfahren.«
Die Haustür öffnete sich, und Gero Fürst erschien auf der Schwelle. Carolin schrumpfte auf die Größe eines verschüchterten Kindergartenkindes zusammen, als er auf die Gartenpforte zukam. Während er mühsam mit einer Hand den Riegel zurückschob und die Pforte öffnete, betrachtete Mamma Carlotta ihn erstaunt. So sah ein Bestsellerautor aus? Wie jeder andere? Sie hatte fest damit gerechnet, dass er sich von den Männern, die sie kannte, unterscheiden musste. Aber Gero Fürst strahlte nichts Besonderes aus, sein Anblick war nicht bemerkenswerter als der des Bäckers, des Fleischers oder des Lehrers.
»Kommen Sie rein«, sagte er freundlich und ging voran ins Haus. Sie folgten ihm den schmalen Flur entlang und betraten schließlich den Wohnraum, der so vollgestellt war, dass er noch kleiner wirkte, als er ohnehin schon war. Eine Wand war mit Bücherregalen bedeckt, vor der anderen stand ein geblümtes Sofa, davor ein winziger runder Tisch, vor dem großen Fenster ein gewaltiger Schreibtisch, bedeckt mit Büchern und Papieren, darauf ein Computer.
»Du kannst also mit Word für Windows umgehen und bist sicher in der Rechtschreibung, Corinna?«
»Carolin«, korrigierte Mamma Carlotta.
Gero Fürst runzelte die Stirn. »Ach, wirklich?« Er überlegte kurz, dann schüttelte er den Kopf. »Da habe ich deinen Namen wohl falsch in Erinnerung. Also gut … Carolin. Du weißt, ich brauche jemanden, der für mich das Schreiben übernimmt.« Er wies auf seinen linken Arm. »Eine Verletzung, die ich mir im Garten zugezogen habe. Vierzehn Tage muss ich den Arm ruhig halten.« Er schüttelte den Kopf, als Mamma Carlotta ihr Bedauern ausdrücken wollte. Anscheinend war er ein Mann, der nicht gern viel Worte machte. »Wir haben es ja schon am Telefon besprochen«, sagte er zu Carolin. »Ich gebe dir meine Diktate auf Kassette, und du tippst sie zu Hause in den PC.« Er ging zum Schreibtisch und griff nach einer Diskette. »Hier habe ich dir die Maske für eine Normseite gespeichert. Die benutzt du als Grundlage. Alles klar?«
Carolin, der gar nichts klar war, nickte trotzdem.
»Meine Enkelin ist sehr flink auf der Tastatur«, erklärte Mamma Carlotta. »Sie schreibt sogar im 10-Finger-System.«
»Das hat sie mir bereits am Telefon erklärt«, sagte Gero Fürst. »Jetzt brauche ich nur noch deine Unterschrift.« Er griff nach einem Blatt Papier und schob es Carolin hin.
»Was ist das?«, fragte Mamma Carlotta, weil nicht zu erwarten war, dass Carolin in Gegenwart des Schriftstellers den Mund aufmachen würde.
Gero Fürst sah sie erstaunt an. »Das habe ich am Telefon bereits mit Ihrer Enkeltochter besprochen. Sie muss sich verpflichten, nicht über das zu sprechen, was sie schreibt, und niemandem zu zeigen, was sie in meinem Auftrag in den PC getippt hat. Sollte sich vor dem Erscheinen des Buches die Pointe herumsprechen …«
»Carolina würde nie ein Geheimnis verraten«, unterbrach Mamma Carlotta. »Niemals!« Sie schickte Carolin mit dem Wink ihres rechten Zeigefingers zum Schreibtisch, auf dem die Vereinbarung lag, die Gero Fürst vorbereitet hatte. »Du kannst das ruhig unterschreiben, Carolina. Wir wissen doch alle, wie verschwiegen du bist.«
Noch immer sprach Carolin kein Wort, aber sie griff gehorsam zu dem Stift, den Gero Fürst ihr hinhielt, und setzte ihren Namen unter die Vereinbarung.
Mamma Carlotta wurde nun immer sicherer. Dass sich der Besuch bei dem berühmten Schriftsteller wider Erwarten so angenehm entwickelte, versetzte sie in Hochstimmung. Prompt fiel ihr ein, dass es auch in der Familie Capella vor zwei Generationen jemanden gegeben hatte, den die Nachfahren einen Schriftsteller nannten. Immerhin hatte er hübsche Verse über sein Heimatdorf
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