Gestrandet: Ein Sylt-Krimi (German Edition)
führte sie Gero Fürst vor Augen, was er zurzeit am meisten entbehrte: eine Frau, die sich um seinen Haushalt kümmerte. »Wie wollen Sie mit Ihrer verletzten Hand aufräumen und kochen?«
Zum Glück hatte er darauf keine befriedigende Antwort, sodass Mamma Carlotta vorschlagen konnte: »Wenn Sie wollen, komme ich demnächst gelegentlich zu Ihnen und sehe nach dem Rechten. Ich kann Ihnen auch selbst eingelegte Antipasti bringen. Die werden Ihnen schmecken!«
Erik sah aus wie ein Schüler, der zum Nachsitzen verdonnert und als besondere Disziplinarmaßnahme sogar zum Schulleiter geschickt worden war. Und wie ein kleiner Schüler fühlte er sich auch. Wütend und hilflos, schuldbewusst und deswegen noch wütender. Die Staatsanwältin hatte ihm die Hölle heiß gemacht, weil er noch keine Ergebnisse im Mordfall Feddersen vorweisen konnte, und die Pressevertreter hatten sogar hämisch gegrinst, als sie hörten, dass er bis jetzt noch keine heiße Spur verfolgte.
In den nächsten Tagen würde in allen Blättern zu lesen sein, dass er ein unfähiger Polizist war. Das allein war schon schlimm genug. Aber das Allerschlimmste war, dass er sich genauso fühlte wie ein unfähiger Polizist! Es war nicht auszuhalten!
Als Sören ins Zimmer kam, rechnete er mit dem Schlimmsten, weil er sich nichts Besseres vorstellen konnte. »Die Überprüfung der Fingerabdrücke hat nichts ergeben.«
»War ja klar.« Eriks Stimme klang müde. Immer wieder strich er seinen Schnurrbart glatt, der an diesem Tag schon eine Menge auszuhalten hatte. Er überlegte sogar, ob er sich über seine eigenen Anweisungen hinwegsetzen und sich im Dienst eine Pfeife stopfen sollte.
Sören sah auf seine Notizen. »Die Spuren waren ziemlich übersichtlich, Magdalena Feddersen lebte zurückgezogen. Die Abdrücke, die wir nicht zuordnen konnten, haben im Abgleich mit unserer Datenbank nichts ergeben.«
»Und die wirtschaftlichen Verhältnisse der Toten? Gibt es da irgendwas Unregelmäßiges, was Verdächtiges?«
Prompt schüttelte Sören den Kopf. »Nichts! Da ist ebenfalls alles sehr übersichtlich. Und der Neffe hat recht, für wohltätige Zwecke hatte die Feddersen nicht viel übrig. Obwohl sie es sich durchaus hätte leisten können. Es gibt nur einen Verein, der einmal im Jahr hundert Euro von ihr bekam. Kinder + kinder.«
Erik runzelte die Stirn. »Nie gehört!«
»Das ist ein Verein, der junge Mütter unterstützt. Mütter, die selber noch Kinder sind. Kinder + kinder hat in einigen Großstädten Häuser eingerichtet, wo sehr junge Mütter die Zeit vor der Geburt verbringen und dann entbinden können. Große Kinder eben, die von ihren Familien nichts erwarten können.«
Erik erhob sich und ging unruhig auf und ab. »Und? Kann einer vom Verein Kinder + kinder Magdalena Feddersen ermordet haben?«
»Natürlich nicht.« Sören brauchte sich nicht um Geduld zu bemühen. Stoische Ruhe entsprach seinem Temperament. »Wir müssen das Motiv woanders suchen. Mit Geld hat es anscheinend nichts zu tun. Wie wär’s mit Liebe, Rache und Eifersucht?«
»Wunderbar! Vor allem, wenn Sie mir einen Geliebten und dessen eifersüchtige und mordlustige Ehefrau präsentieren.«
Nun sah es tatsächlich so aus, als machte Sören die Übellaunigkeit seines Chefs ein wenig nervös. »Wir müssen eben danach suchen.«
»Tun Sie sich keinen Zwang an!« Erik sah seinen Assistenten so böse an, als wäre der schuld daran, dass Magdalena Feddersen ein Leben geführt hatte, in dem es weder Liebe noch Eifersucht oder gar Rache gegeben hatte. »Aber suchen Sie nicht zu lange! Sonst hat uns die Staatsanwältin eine Sonderkommission vor die Nase gesetzt mit irgendwelchen jungen Klugscheißern und höchstwahrscheinlich so einem oberschlauen Profiler. Der kann uns dann sagen, ob der Mörder rote Haare, Neurodermitis und eine schwere Kindheit hinter sich hat.«
Sören ging zur Tür, um sich klammheimlich davonzumachen.
»Und finden Sie was, ehe die Presse uns zu Idioten gemacht hat!«
Die Tür wurde ins Schloss gedrückt, Erik hätte nur noch das zerkratzte Türblatt oder die Wände anbrüllen können.
Carlotta war alarmiert, als sie nach dem Besuch bei Gero Fürst aus dem Haus trat und sah, wie Valerie ihr Fahrrad an den Gartenzaun stellte. »Valerie! Wollen Sie den Schriftsteller besuchen?«, erkundigte sie sich scheinbar beiläufig.
Valerie reagierte genauso, wie es Menschen tun, die etwas zu verbergen haben. Sie brachte keine vernünftige Erklärung vor, sondern versuchte,
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