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Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song

Titel: Gestrandet - Harvey, C: Gestrandet - Winter Song Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Harvey
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Bedeutung?«
    Bera schürzte nachdenklich die Lippen. »Er hat sich beleidigt gefühlt. Versetz dich mal in seine Lage. Er ist ein wichtiger Mann, und du hast auf ihn reagiert, als wäre er ein Troll.«
    Ein Troll?, dachte er. Ach ja, sie sind ja Isländer. Trolle sind Bestandteil der isländischen Tradition. Aber es überraschte ihn trotzdem, dass sie alte isländische Sagen zitierten. »Sollte ich also ein großes Theater veranstalten, wenn ich ihn das nächste Mal sehe? Mich bei ihm für seine Gastfreundschaft bedanken?«
    »Ich würde es an deiner Stelle tun«, sagte Bera. »Es könnte funktionieren.«
    »Könnte?«
    »Ragnar ist ziemlich nachtragend. Aber vielleicht verzeiht er dir.«
    »Ah«, machte Karl. »Verstanden. Ich hoffe, es gelingt mir, ihn zu überzeugen, wie dankbar ich ihm bin.«
    »Ich würde es tun«, wiederholte Bera. »Und wenn ich du wäre, würde ich hoffen, dass das ausreicht.« Obwohl sie lächelte, konnte sie ihn nicht über die Angst in ihren Augen hinwegtäuschen. Ihre Angst konnte er verstehen, aber er glaubte auch, einen Anflug von Hoffnung in ihrem Blick zu entdecken. Warum?
    »Komm«, sagte sie. »Wir dürfen ihn nicht zu lange war ten lassen.«
    »Ragnars Haus?«
    Sie nickte.
    Wie die Scheune war auch das Haus ungefähr 40 Meter lang, aber rund zwanzig Meter breit. Karl warf einen Blick zurück auf die Scheune. Alle Gebäude waren halb in den Hügel eingebettet, ihre Dächer mit Torf gedeckt. Aus dem Schornstein in einem der Dächer stieg Rauch auf. »Hier schläft seine Familie«, sagte Bera, »und im Winter schlafen auch seine Arbeiter hier. Jetzt sind sie mit den Herden draußen in den Bergen.« Sie half Karl, die Stufen in einen Vorraum hinabzusteigen, in dem es nach Fellen und Stiefeln stank, die sich mit Körperausdünstungen vollgesogen hatten, und führte ihn weiter durch einen lang gestreckten Raum, dessen Wände von Lampen erleuchtet wurden. Mit Ausnahme einer Wand, die aus einem einzigen Fenster bestand, das auf die Scheune und den See hinausging. »Panzerglas«, bemerkte Bera. »Zweihundert Jahre alt.«
    Auch in diesem Raum stank es nach menschlichen Kör pern, die sich hier viel zu lange aufgehalten hatten, aber jetzt war kaum eine Menschenseele zu sehen. Allerdings stapelten sich überall Kisten und alle möglichen Habseligkeiten. »Die Haupthalle, wo die Kinder und die Hörigen – die Fronarbeiter – schlafen«, erklärte Bera. Am anderen Ende des Raumes stand ein fünf Meter langer Tisch, um den zwei Frauen herumwuselten, die Krüge und Teller herbeischafften. »Hilda und Asgerd, Ragnars Tochter und seine ältere Schwiegertochter.«
    »Guten Morgen«, sagte Asgerd mit einem schüchternen Lächeln. Sie war ebenfalls blond, verhielt sich aber zurückhaltend statt aufreizend wie Thorbjorg.
    Hilda dagegen war so dunkelhaarig wie ihr Vater, und ihre Mundwinkel bogen sich nach unten. Sie erweckte den Eindruck, als wäre sie unablässig vom Leben enttäuscht. »Mein Vater wird dich jetzt empfangen«, verkündete sie, wobei sie die ersten beiden Worte absichtlich ein wenig betonte. »Du kannst jetzt gehen, Bera.«
    »Warum kann Bera nicht bei mir bleiben?«, fragte Karl. »Ich hätte es ohne ihre Hilfe gar nicht bis hierher geschafft.«
    Hilda versteifte sich, doch bevor sie antworten konnte, sagte Bera: »Ich werde dir einen Spazierstock besorgen und dann in die Küche gehen, um dort zu helfen, Karl.«
    Ragnars Tochter neigte den Kopf um einen Zentimeter, was entweder Zustimmung signalisieren oder eine Aufforderung an Bera sein mochte, den Raum zu verlassen. » Sie kennt ihren Platz«, sagte sie, und der Sinn ihrer Worte war unmissverständlich: Er sollte sich gefälligst ein Beispiel an Bera nehmen.
    »Ist sie eine Dienerin?«, erkundigte er sich. Er hatte nicht die Absicht, sich von ihr einschüchtern zu lassen.
    Hilda wirkte beleidigt. »Wir haben sie bei uns aufgenommen. Bauern, die nicht in der Lage sind, ihre Angehörigen zu versorgen, bringen ihre Kinder oft auf anderen Höfen unter, und die Kinder arbeiten dort für ihren Unterhalt wie jeder andere auch. So wie jeder hier«, wiederholte sie nachdrücklich und fuhr fort: »Beras Eltern sind allerdings umgekommen, als ihr Bauernhof unter Lava begraben wurde. Wie traurig. Es passiert so selten, dass ein Vulkan ausbricht, aber ihre Eltern kannten das Risiko. Fruchtbares Ackerland bedeutet häufig, dass es dort Vulkane gibt. Komm mit!«
    Sie führte Karl in ein großes Zimmer, in dem Ragnar über einen Stoß Papiere

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