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Getäuscht - Thriller

Titel: Getäuscht - Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bastei Lübbe
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der Rampe und fuhr ein Stück auf asphaltierter Straße. Dann hielt er erneut. Vermutlich hatten sie die Zollstelle erreicht. Jonathan beruhigte sich mit dem Gedanken, dass er in einem nagelneuen Sattelschlepper fuhr, der einer internationalen Spedition gehörte. Die Zöllner hatten es auf die anderen Laster abgesehen: die unabhängigen Firmen, die neuen Speditionen, die Fahrer, deren Lkws in schlechtem Zustand waren. Trotzdem schien es nur im Schneckentempo voranzugehen. Der Fahrer murmelte immer wieder vor sich hin: »Nun macht schon. Was ist denn hier los, verdammt?«
    Sechzig Minuten verstrichen.
    Der Lkw schob sich ein Stück vorwärts und hielt sofort wieder. Dieses Mal lief ein Zittern durch den Wagen, als der Fahrer die Handbremse anzog. Das Fenster wurde heruntergelassen, und Jonathan lauschte dem Gespräch zwischen dem Zollbeamten und dem Fahrer.
    »Woher kommen Sie?«, fragte der Zollbeamte.
    »Ich komme aus Birmingham«, antwortete der Fahrer in fließendem Englisch.
    »Führerschein und Fahrzeugpapiere, bitte.«
    Der Fahrer reichte beides aus dem Fenster. Ein paar Minuten verstrichen, bis die Papiere überprüft waren und zurückgegeben wurden.
    »Haben Sie unterwegs einen Anhalter mitgenommen?«
    »Nein. Das verstößt gegen die Vorschriften der Spedition.«
    »Ist Ihnen jemand aufgefallen, der in der Nähe der Küste eine Mitfahrgelegenheit gesucht hat?«
    »Es war dunkel. Ich habe niemanden gesehen.«
    »Irrtum ausgeschlossen? Einen Mann, ungefähr eins neunzig groß, dunkle Haare mit grauen Strähnen? Amerikaner?«
    »Mir ist niemand begegnet.«
    »Sie haben also keinen Fahrgast in Ihrer Schlafkabine?«
    »Sie können sich gerne selbst davon überzeugen. Kommen Sie, ich zeige Ihnen die Schlafkabine.«
    Der Beamte erwiderte nichts darauf. »Haben Sie Ihren Laster irgendwann unbeaufsichtigt gelassen?«
    »Zu keinem Zeitpunkt.«
    Die überzeugend vorgebrachte Lüge ließ Jonathan hoffen, dass er an den richtigen Mann geraten war.
    »Wohin fahren Sie?«, fragte der Zollbeamte weiter.
    »Berlin, Prag und Istanbul. Steht alles in den Frachtpapieren. Nun machen Sie schon, Mann, ich hab's eilig.«
    Der Zollbeamte winkte den Lkw durch. »Okay.«
    Jonathan lag regungslos in seinem Versteck auf dem Bett und lauschte auf die Geräusche, als die Geschwindigkeit zunahm. Schließlich fuhr der Laster in gleichmäßigem Tempo über die Autobahn und brachte ihn an den fruchtbaren Feldern Nordfrankreichs vorbei immer weiter in Richtung Berlin und Istanbul.

33.
 
    Frank Connor betrat um Punkt elf Uhr morgens das St. Mary's Hospital an der Praed Street in Paddington. Anstandshalber hatte er einen Blumenstrauß, eine Pralinenschachtel und den neuesten Jilly-Cooper-Roman dabei. Seine Kleidung und sein Auftreten erweckten den Eindruck, als wollte er einen kranken Angehörigen besuchen. Connor trug einen grauen Anzug, der an den Schultern locker saß, im Rücken spannte und nichts von seinem ausladenden Bauch kaschierte. Sein widerspenstiges graues Haar war ordentlich frisiert, doch die Frisur hatte unter der extremen Schwüle gelitten.
    Die Kehrseite der Medaille war, dass Connor die ganze Nacht durchgesoffen hatte, nachdem er Jonathan Ransom um gerade mal neunzig Sekunden verpasst hatte und erfahren musste, dass Prudence Meadows in der Zwischenzeit ihren Mann erschossen hatte. Trotz der ausgiebigen Dusche, des sauberen Anzugs und einer großzügigen Menge Aqua Velva, die er auf seinen zerfurchten, hängenden Wangen verteilt hatte, stank er noch immer nach Alkohol und Zigarren.
    Mit dem Fahrstuhl fuhr Connor bis in den vierten Stock. Im Krankenhaus gab es keine Klimaanlage (ein weiteres Argument für seine Abneigung gegenüber England). Als er schließlich das Schwesternzimmer erreichte, war sein Hemd schweißdurchtränkt. Connor nannte seinen falschen Namen, Standish, und gab vor, ein Verwandter von Prudence Meadows zu sein. Die diensthabende Schwester sah, dass sein Name auf der Liste der nahen Angehörigen stand, und führte ihn an zwei wartenden Beamten der Metropolitan Police vorbei, die geduldig vor dem Zimmer ausharrten, bis der gesundheitliche Zustand von Prudence Meadows zuließ, dass sie zu den Vorfällen des vergangenen Abends vernommen werden konnte.
    Als Connor endlich mit Prudence allein im Krankenzimmer war, dauerte es nicht lange, bis er seine mühsam gewahrte Beherrschung verlor. Seit er Ransoms Spur bei der Verfolgung vom Hotel aus verloren hatte, war er ziemlich schlecht gelaunt, und der Anblick seiner

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