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Gewalten

Gewalten

Titel: Gewalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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Füge Bild an Bild. Der Parkplatz unten vorm Hotel ist fast leer. Nur ein Auto steht dort, genau in der Mitte des abgegrenzten Areals, gelbes Licht aus Laternen. K. sitzt auf der Rückbank. Seine Mutter neben
ihm, hält seine Hand, der kleine, dicke Anwalt, der ihn in Guantánamo besucht hat, auf der anderen Seite. Ein Stück entfernt der bläulich leuchtende Flachbau einer Tankstelle. Ein Mann steigt vorne auf den Beifahrersitz. Gibt K. einen Becher Kaffee. Sie schweigen. K. trinkt. Zwei dunkle Limousinen sind zu sehen, die mit laufendem Motor an der Auffahrt zum Parkplatz stehen. Dahinter die Autobahn. Ungefähr in der Mitte meiner Szenenfolge. K. ist gefangen in der Zeit. Auch nach seiner Rückkehr. Der Kreis ist geschlossen. Immer und immer wieder durchläuft er die Räume der stampfenden Riesenmaschine.
No way out
. Ich renne ins Bad. Da muss doch vielleicht eine Zigarette danebengefallen sein, ich krieche über die Fliesen. Der warme Wind verteilt Papiere im Zimmer. Ich schließe das Fenster, lasse die Jalousie herunter und hänge noch ein Bettlaken davor. WUMM - KLAMM . WUMM - KLAMM . Was ist das? Jemand schlägt gegen die Wand. Da hängt ein Foto, das hat da eben noch nicht gehangen, auf dem Bett der Hammer, dann werde ich es wohl dort angebracht haben. WUMM - KLAMM . Verdammt nochmal, ist ja gut! Da grinst wieder diese Alte, also dieses Weib in Uniform, die den Nackten an der Leine ausführt. WENN MAN DER MEINUNG WAR , DASS ICH NICHT KOOPERIERE , WURDE ICH AN EINE WAND GESTELLT UND AUF KÖRPER UND KOPF MIT FLACHEN HÄNDEN UND FÄUSTEN GESCHLAGEN . EIN DICKER BEWEGLICHER RING WURDE UM MEINEN HALS GELEGT , UND EIN WÄRTER FASSTE MICH MIT BEIDEN HÄNDEN DARAN , UM MICH MEHRFACH HINTEREINANDER AN DIE WAND ZU SCHLEUDERN . Ich renne zum Automaten, Neonröhren flackern an der Decke des Gangs, Tür links, Tür rechts, ob da jemand wohnt?, Treppenaufgang, Fahrstühle, die Glasfront des Automaten, ich
klimpere Geld in den Schlitz, eins, zwei, drei, vier Flaschen Bier, dabei habe ich seit Wochen nicht getrunken, damit mein Blick klar ist, wenn ich auf diesen Stein blicke. Das waagerecht liegende Rad hinter dem Glas bewegt sich, und die Flaschen poltern in den ... nein, da stimmt was nicht. Nur eine Flasche fällt in den Schacht. Ich verstehe. Rausnehmen und den Knopf noch einmal drücken. Das haben sie geschickt gemacht, damit ich mir nicht die Ohren zuhalten kann. Ich habe keinen Beutel mitgenommen, stopfe die Flaschen in den Papierkorb, der zwischen den beiden Fahrstuhltüren steht. Die Zahlen bewegen sich, E, 1 , 2 , 3 , da kommt jemand, ich nehme den Papierkorb und renne den Gang entlang, DING , wer kann das sein um diese Zeit, ich zerre mit der freien Hand meine Türkarte aus der Hosentasche, aber die Tür meines Zimmers ist offen, ich würde nie diese Tür offen lassen, den Papierkorb halte ich wie eine Waffe mit beiden Händen vor mir, schnell ins Zimmer geschlüpft und zu die Tür, KLAMM , mit dem Fuß zugestoßen.
Matrix
, nach links, nach rechts, da pfeift der Papierkorb durch die Luft, dass die Bierflaschen klirren, während ich die dunklen Ecken und den Schrank durchsuche. Niemand da, alles leer, was mach ich mir Gedanken? Bin
in
Gedanken und lasse die Tür offen, aber das Fenster anscheinend auch, ein warmer Wind, was für ein Föhn, der wirbelt Papiere durchs Zimmer. Ich schiebe das Bett vor die Tür. Lege mich drauf, trinke Bier und blättere in den Mappen. Kenn ich alles aus- und inwendig. Kopf unter Wasser, Amputation von Gliedmaßen, ein kranker Körper gehört zu einem kranken Geist, Schlafentzug ohne Schlafanzug, Schafe zählen in der Hellzelle unter 10   000 Lumen. Was ist besser, die Gewalt vollkommen nackt zu zeigen oder im Pyjama? Ich ziehe
mich aus, hänge das Fenster zu. In der Baracke hängen Leute am Balken. Ich war einmal an ein Bett geschnallt für sieben, acht Stunden, da dachte ich, ich muss sterben. Ich war auch mal eingesperrt für ein paar Wochen, Monate, aber da konnte ich lesen und essen.
    Ich schmeiße die leeren Flaschen in den Raum. Fünf Jahre ohne Alkohol. Ein Jammer, dass die Moslems nicht trinken, ob im Lager oder nicht.
    Ich war ein paar Mal in einer Moschee, eine große Wohnung im Westen von Leipzig, habe mich vor Allah verneigt, weil ich dachte, wenn du als Einziger nur so rumsitzt, ist die Transzendenz gestört. Allahu akbar. Ich habe den Koran gelesen, weil Goethe gesagt hat, dass das große Dichtung sei, und er hat recht. Ich habe Scheich Mohamed Amin al Amini aus dem

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