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Gewalten

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Titel: Gewalten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Clemens Meyer
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Apfel, das müsste doch eigentlich eine Birne sein, aber vollkommen rund liegt die Frucht, an der er knabbert, in seinen Händen, ein Obstgarten mit einem verfallenen Häuschen, dort müssten wir an Land gehen und kampieren, bis der Winter kommt. Wir treiben nahe am Ufer, und wir blicken ihn an, und fast sieht es so aus, als würde er lachen, viele Tiere scheinen zu lachen, wenn sie uns anblicken und wir sie –
    Aber noch keine Gärten und Lichtungen und Häuser ums Wasser, das aber etwas breiter und tiefer wird jetzt, nicht mehr das verschlammte Rinnsal, durch das wir unser Boot an manchen Stellen schieben mussten, bis über die Knöchel im Schlamm. Nur dichtes Grün wie eine Wand, durchbrochen von einer schmalen verfallenen Mauer, die wie eine riesige, rötlichbraune Schlange, aus
dem Dschungel kommend, fast bis ins Wasser kriecht, ein Stück weiter eine ähnliche Mauer, kaum einen halben Meter hoch, das ergibt keinen Sinn, was sollen sie begrenzen?, dann ein weiteres geometrisches Muster, ich kann sehen, dass diese Geraden leicht schräg durchs Dickicht verlaufen, alle in dieselbe Richtung, dann, vielleicht ein halber Kilometer liegt dazwischen, beginnt eine neue Formation von Mauern, diesmal neigt sich ihr Verlauf in die andere Richtung, den vorherigen entgegen, so dass sie sich irgendwo im Dschungel treffen müssen. Die versunkene Stadt Z ... anhalten, durchs Wasser waten, den Mauern folgen, die Zeichen der Ruinen lesen, die Stadt Z, kleine Affen sitzen auf unseren Schultern. Amazonas, Südamerika, LB ist auf den Malediven oder in Mauritius, wir sind in Stadt L, keine Indios, keine Tempel, keine Expedition auf der Suche nach dieser alten Indianerstadt, von der nur noch ein paar Grundmauern in seltsamen geometrischen Mustern erhalten sind, irgendwo im Amazonas-Urwald, wann war das? 1925 , 1930 ? Mister Percy Harrison Fawcett, Oberstleutnant der Armee Seiner Majestät, des Königs von England und der halben Welt, fand diese Muster und verschwand wenig später (nur Tim und Struppi sind ihm noch einmal begegnet). Ich muss ein Buch darüber schreiben, auf der Suche nach Z, Forscher und Vermesser, Abenteuer und Mysterium und ein bisschen Witz und Ironie, ich werde steinreich werden damit, aber nur, wenn es seicht und flach wird wie das Rinnsal, durch das wir unsere Boote steuern, kaum eine Handbreit Wasser unterm Kiel. In die Hölle würde ich uns rudern lassen, das bringt keine Millionen; Dschungelkrankheit
Espundia
, die frisst uns das Fleisch um Lippen und Nase von den Knochen, Käfer nisten sich in den Wunden ein, Moskitos legen ihre
Eier; der
Harnröhrenwels
, was für eine absurde Geißel der Schöpfung, nein, die Menschheit darf schon allein deshalb nicht aussterben, weil sonst der Harnröhrenwels seine Beschäftigung verlieren würde: »Der Harnröhrenwels (Tridensimilis brevis) ist ein parasitisch lebender Fisch aus der Familie der Schmerlenwelse. Er kommt im Amazonasbecken vor. Der Harnröhrenwels ist bis zu 3  cm lang. Seine Lebensweise ähnelt der des Candirú. Er sucht im Sand von flachen Flüssen Unterschlupf und lebt parasitär vom Blut in den Kiemen größerer Welse. Er kann, vermutlich als Fehlleitung, auch in die Harnröhre von Säugetieren (also auch Menschen) eintreten, die unter Wasser urinieren, woher sich der deutsche Name ableitet. In der Harnröhre stirbt er zwar schnell ab, muss dann aber zumeist chirurgisch entfernt werden.«
    Ich will raus aus diesem Urwald der exotischen Ideen, geometrischen Spinnereien, Realitätsverschiebungen, in dem es zugeht wie in einem B-Movie,
Aktion Mutante
, denn der Harnröhrenwels existiert wirklich und ist klein und wendig genug, um durch eines der Portale zu schlüpfen, Stadt L, 16 .August 2009 , in den Strömen, das Kanu mit Ahab und meiner Frau sehe ich jetzt wieder, noch ein ganzes Stück vor uns, zwanzig, dreißig Meter oder mehr, sie haben angehalten, bewegen nur ab und an die Ruder, um nicht mit der Strömung weiterzutreiben. Hinter ihnen endlich eine Art Lichtung, ich meine, Himmel und Wolken zu erkennen, ist da der Hauptarm, der uns aus dem Grün führt? Wir nähern uns ihnen langsam. Sie sind nur schemenhaft zu erkennen im Gegenlicht, die Köpfe leicht gehoben, sie blicken wohl auf etwas, das direkt vor und gleichzeitig über ihnen sein muss, wir rufen: »Schiff ahoi!«, aber sie reagieren nicht, scheinen abwesend, aber
doch konzentriert, blicken auf das, was da in der Mitte des Elstermühlgrabens in der Luft hängt. Und da hängt etwas, das

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