Gezeiten der Sehnsucht - Feehan, C: Gezeiten der Sehnsucht - Dangerous Tides (4 - Libby)
Angriffs. Angeblich vertrittst du das Gesetz.«
Niemand ließ sich auf eine Auseinandersetzung mit dem Deputy ein, noch nicht einmal jemand, der sinnlos betrunken war. Jackson war einfach zu gefährlich. Er war ein stiller Mensch und sprach sehr wenig, aber wenn er jemandem sagte, was er tun sollte, dann richteten sich die Leute danach. Seine Augen waren matt, leer und so kalt wie Eis. Narben zogen sich über sein Gesicht und seinen Hals und verschwanden unter seinem Hemd. Sein dunkles Haar war dicht und ungebärdig, und seine Züge wiesen den Schliff grausamer Zeiten auf. Neben Jackson nahm sich Elle klein und zerbrechlich aus, denn sie war alles in allem nur halb so viel wie der Deputy. Doch sie wich keinen Schritt vor ihm zurück. Jackson blieb ebenfalls stehen, selbst als der Wind an seinen Kleidungsstücken zu zerren begann.
Da zwängte sich Jonas an Elle vorbei und kniete neben Libby nieder. »Lass den Blödsinn, Elle«, mischte er sich schroff ein. Er war gemeinsam mit Jackson zur Tür hereingekommen und hatte gerade noch das Ende von Irenes Angriff auf Libby mitgekriegt. »Damit ist keinem geholfen. Libby wird dir Ärger machen, wenn sie wieder zu sich kommt.« Jetzt wandte er seinen aufgebrachten Blick Irene zu. »Libby ist schwer verletzt. Sie ist bewusstlos. Verdammt noch mal, Irene, was zum Teufel haben Sie angerichtet?«, fuhr er sie an. Um Libbys Mund und Nase herum war Blut.
Irene heulte hysterisch. »Ich weiß es nicht. Ich bin einfach nur ausgerastet. Habe ich sie umgebracht?« Sie kauerte immer noch an der Wand. Ihre Kleidung war verrutscht, ihr Haar wüst zerzaust. »Ich wollte ihr nicht wehtun.« Sie schluchzte zunehmend heftiger und ließ sich an der Wand hinabgleiten, bis sie mit gespreizten Beinen auf dem Boden saß und ihre Handtasche beim Weinen an sich drückte.
Elle sank neben Jonas auf die Knie und ließ ihre Hand dicht über Libbys Körper durch die Luft gleiten. Mit einem Aufschrei
riss sie ihre Hand zurück und hielt ihren Arm eng an ihre Brust geschmiegt. Dann wandte sie sich weit genug ab, um mit den Augen einer Seherin aus alter Zeit durch die Glasscheibe Tyson anzuschauen, bevor sie sich wieder zu ihrer Schwester umdrehte.
»Sie muss dringend nach Hause zu den anderen. Ich rufe sie zusammen, damit sie sie bereits erwarten. Sie ist in einer sehr schlechten Verfassung. Kannst du sie zum Wagen tragen, Jonas?«
»Vielleicht sollte sie von einem Arzt behandelt werden«, wagte Jonas vorzuschlagen. »Ich habe euch alle schon kurz vor dem Zusammenbruch gesehen, aber so schlimm war es noch nie. Das scheint mir zu real zu sein.«
»Sie muss dringend nach Hause. Wir können uns um sie kümmern«, wiederholte Elle, und diesmal drückte sich in ihrem Tonfall eindeutig ein Befehl aus.
Jacksons Blick war jetzt nur noch auf Elles Gesicht gerichtet. »Du gibst ihr von deiner Kraft.« Der Mann ragte vor ihr auf und strich ihr einige leuchtend rote Haarsträhnen aus dem Gesicht. »Du zitterst jetzt schon, Elle.«
Elle stieß seine Hand fort. »Sie ist meine Schwester. Für sie tue ich alles. Sie ist ständig für andere da.« Sie sah Irene mit unverhohlener Missbilligung an. »Niemand ist mitfühlender und fürsorglicher als Libby. Sie gibt und gibt, bis sie selbst am Ende ist.«
»Es tut mir Leid. Es tut mir wirklich Leid.« Irene bemühte sich, ihre Selbstbeherrschung wiederzufinden, und schneuzte sich lautstark die Nase.
»Setz dein Leben nicht für sie aufs Spiel. Das würde sie nicht wollen.« Jacksons Finger schlangen sich um Elles Handgelenk.
Es war Elle unmöglich, die Hand des Deputy abzuschütteln, und daher ließ sie sich kampflos von ihm auf die Füße ziehen. Sie ließ ihre Schwester jedoch keinen Moment lang aus den
Augen, als Jonas Libby auf seine Arme hob. Libbys dunkles Haar hatte sich aus dem Knoten gelöst und fiel wie ein Wasserfall über seinen Arm. Ihr Gesicht war starr und weiß, ihre Augen geschlossen, und dunkelrotes Blut tropfte langsam von ihrem Gesicht. Jonas tauschte einen langen Blick mit Jackson aus.
»Ich habe keine andere Wahl, Jackson.« Elle formulierte eine unumstößliche Tatsache. »Ich fühle, was sie fühlt, und ich kann die Verbindung nicht abreißen lassen. Ohne meine Unterstützung kommt sie nicht durch. Hannah ist bereits bei uns, und die anderen werden gleich hier sein. Hannah hat den größten Teil der Last auf sich genommen. Sowie wir uns den Schmerz und die Verletzungen alle miteinander teilen, wird es leichter sein.«
Irene zog sich vom
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