Ghost Street
ist ja nichts passiert.« Owen Murrell schüttelte die Hand des Sicherheitsmannes ab und erhob sich. »Und du brauchst jetzt erst mal Ruhe, mein Schatz. Ich komme dich morgen besuchen, ja?«
Er lächelte seiner Frau zum Abschied zu, als wäre nichts gewesen, und verließ das Zimmer, ohne Alessa und die anderen eines weiteren Blickes zu würdigen. Alessa vermutete, dass er schadenfroh grinste. Solange seine Frau ihn nicht anzeigte, konnte ihm niemand etwas anhaben. »Wir kriegen ihn«, sagte Alessa entschlossen zu den Krankenschwestern, die Owen Murrell entgeistert nachstarrten.
11
Dunkle Wolken hingen über Savannah, als Jenn und Harmon aus Reidsville zurückkehrten. Am Horizont zuckten Blitze über den Himmel. Fast alle Fahrzeuge, die ihnen entgegenkamen, hatten die Scheinwerfer eingeschaltet.
»Toller Ausflug«, sagte Harmon. Er klang weinerlich wie ein Beamter, der seine Pension herbeisehnt. Dabei hatte er noch vierzehn Dienstjahre vor sich, wenn er sich nichts zuschulden kommen ließ. »Dass Hamilton was gegen Schwarze hat und sich wie ein fanatischer Nazi aufführt, wussten wir auch vorher. Wir hätten zu Hause bleiben und uns eine Runde aufs Ohr hauen sollen, dann wären wir wieder fit.«
Jenn saß auch auf der Rückfahrt am Steuer. »Du hast doch gepennt, die Hinfahrt und die ganze Rückfahrt auch. Das kommt davon, wenn man in deinem Alter eine junge Frau heiratet und zwei Kinder bekommt.«
»Lass mein Privatleben aus dem Spiel. Und nur damit du’s weißt: Wenn sich zwei Menschen wirklich verstehen, spielt das Alter keine Rolle.« Er blickte sie verschlafen, aber auch etwas mitleidig an. »Du solltest dir auch eine Familie zulegen, dann wärst du sicher ruhiger und würdest nicht dauernd ausrasten wie bei den Jungs heute früh und bei der Reporterin.« Er griff nach dem Becher mit Kaffee, den sie vor ihrer Rückfahrt bei McDonald’s an der Interstate besorgt hatten. »Hast du eigentlich einen Freund?«
Jenn ließ nicht erkennen, dass ihr die Frage unangenehm war. »Männer sind mir zu kompliziert. Und Frauen auch«, fügte sie rasch hinzu, »zumindest wenn es um Sex und Liebe geht.«
»Die meisten Frauen sind in deinem Alter längst verheiratet.« Harmon trank von dem kalt gewordenen Kaffee.
»Hier im tiefen Süden vielleicht.« Jenn musste grinsen. »Ich hab gehört, hier heiraten sie schon mit vierzehn oder fünfzehn. Mit zwanzig haben sie einen Stall voller Kinder, und mit dreißig werden sie von ihren Männern verprügelt, oder sie sind geschieden und liegen dem Staat auf der Tasche.« Sie überholte einen Reisebus und blieb auf der linken Spur. »Keine Angst, ich komme schon auf meine Kosten, aber meinen zweiten Hausschlüssel gebe ich nur her, wenn mir der Richtige über den Weg läuft. Ich mache keine Kompromisse, die habe ich nie gemacht.«
»Und rennst irgendwann gegen die Wand«, warnte Harmon. »Sei lieber vorsichtig. Ich hab keine Ahnung, warum du aus Chicago weggegangen bist, und will’s auch gar nicht wissen, aber ein Lover kann’s nicht gewesen sein und die Sehnsucht nach den Südstaaten auch nicht.« Er stellte den Kaffeebecher in die Halterung. »Ungezogene Jungs wie die von heute Morgen, nicht mal Dreckskerle wie Hamilton sind einen Verweis wert. Hör auf einen erfahrenen Cop wie mich: Wir können die Welt nicht verändern, weder mit den Fäusten noch mit der Knarre.«
»Aber wir können es versuchen.« Sie verließ die Interstate und fuhr über die Ausfahrt auf die Straße zum Polizeirevier. Vereinzelte Regentropfen zerplatzten auf der Windschutzscheibe.
» Oh shit! «, fluchte Jenn, als sie auf den Parkplatz fuhren und den Van von WSAV vor dem Eingang stehen sahen. »Die blonde Hexe vom Sender!«
Harmon traute seinen Augen nicht. »Melinda Stone? Was tut die denn hier? Wartet die etwa auf uns? Haben die denn nichts Wichtigeres zu tun?«
»Ist doch eine Bombenstory.« Jenn fuhr in eine Parklückeund stellte den Motor ab. »Ku-Klux-Klan wiederholt Mordserie, die Georgia vor vierzig Jahren in Atem hielt! Zwei Cops beim achtzigjährigen KKK-Chef im Knast! Lässt er die Nachkommen seiner Opfer ermorden? Erschüttert eine neue Mordserie die Stadt? Melinda Stone spricht mit den verantwortlichen Detectives …«
Harmon rang sich ein Lächeln ab. »Du hättest zum Fernsehen gehen sollen. Den richtigen Ton hast du schon drauf. Du müsstest dir natürlich die Haare blond färben und eine andere Frisur zulegen, so wie Melinda Stone.«
»Den Teufel werde ich tun. Ich geige ihr mal
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