Ghost Street
Kröte oder hirnlose blonde Fernsehtussi?«
»Ich hab ihr gesagt, dass Sie sich um den kleinen Eisbären im Zoo kümmern soll, der würde mehr hergeben.«
»Maurice?«
»Sie kennen sogar seinen Namen?«
Er drehte sich lachend vom Fenster weg. »Mein Enkel schwärmt für ihn. Ich hab ihm einen Stoffbären gekauft, mit dem zieht er jetzt den ganzen Tag rum. Sie halten wohl nichts von ihm?«
»Von Ihrem Enkel?«
»Von Maurice.«
»Der geht mir am …« Sie bremste sich gerade noch rechtzeitig. »Ich hab’s nicht so mit den Kuschelbären.«
Der Lieutenant besann sich auf seine Arbeit und kehrte hinter seinen Schreibtisch zurück. »Wie ist es gelaufen? Hatte Hamilton was zu sagen?«
»Nicht viel«, erwiderte Jenn. Sie berichtete in kurzen Zügen, ging nur auf das Wesentliche ein. »Wenn Sie nichts dagegen haben, hauen wir uns jetzt ein paar Stunden aufs Ohr und knöpfen uns heute Abend den Sohn von Hamilton vor. Stephen Hamilton. Während des Prozesses war er mal im Fernsehen. Er fährt Taxi für Yellow Cab. Vielleicht hat er was mit dem Mord zu tun. Unser Vergewaltiger geht sowieso nie vor Mitternacht aus dem Haus, den erwischen wir früh genug.«
»Das geht leider nicht, Jenn.«
»Wieso nicht?«
»Weil ich heute Nachmittag einen Anruf vom FBI hatte. Die Feds wollen sich ab sofort um den Fall kümmern. Angeblich, weil Jeremy Hamilton seine Morde in zwei Bundesstaaten begangen hat und der neue Mörder ähnlich vorgehen könnte, falls ihm der eine Mord noch nicht reicht. Wenn sich eine Mordserie über zwei oder mehr Bundesstaaten erstreckt, ist das FBI zuständig, so steht es im Gesetz. Ist zwar ein bisschen weit hergeholt, aber gegen die Feds kann ich nicht viel ausrichten. Sie wollen morgen früheinen Agenten herschicken, der soll entscheiden, inwieweit wir eingebunden werden sollen. Tut mir leid, aber so ist es nun mal. Also wird Ihnen wohl nichts anderes übrig bleiben, als sich wieder um Reggie zu kümmern.«
»Na, toll«, sagte Jenn.
Der Lieutenant stapelte die Papiere von der rechten auf die linke Seite seines Schreibtischs. »Ich weiß es auch erst seit ein paar Minuten, das FBI hat gerade erst angerufen. Special Agent Matthew Sunflower wird morgen Mittag um zwei in meinem Büro sein. Da er allein kommt, nehme ich an, dass Sie unter seinem Kommando weiter an dem Fall arbeiten können. Er klang sehr umgänglich. Seien Sie pünktlich.«
»Sunflower«, wiederholte Harmon.
»Unter seinem Kommando«, sagte Jenn. Sie war nicht gerade begeistert von der Nachricht. »Das heißt, wir sollen nach der Pfeife der Feds tanzen.«
»So ungefähr«, räumte der Lieutenant ein. »Aber wie gesagt … er klang umgänglich und wir sollten uns jetzt nicht verrückt machen. Bisher haben wir gut mit dem FBI zusammengearbeitet. Meistens jedenfalls.«
»Na, toll«, sagte Jenn wieder.
Und als sie außer Hörweite des Lieutenants und auf dem Weg nach unten waren: »Einen Scheißdreck werden wir tun! Wir knöpfen uns diesen Stephen Hamilton vor, und zwar jetzt.«
»Ohne mich«, erwiderte Harmon.
»Ich hab auch nicht gesagt, dass ich dich dabeihaben will. Geh du nach Hause zu deiner Frau und deinen Kindern. Ich bestelle mir ein Yellow Cab.«
»Du riskierst deinen Job.«
Sie lachte. »Wir riskieren noch was ganz anderes, Harmon. Falls der Typ mit dem Mord zu tun hat und heuteNacht wieder zuschlägt, sind wir doch auch die Dummen. Was meinst du, was diese Fernsehtussi dann über uns sagt? Dass wir strikt nach den Vorschriften gehandelt und auf das FBI gewartet haben? Nein, die Genugtuung gönne ich Miss Stone nicht.« Sie gingen über den Parkplatz und blieben vor dem Privatwagen von Harmon stehen, einem braunen Kombi, wie es sich für einen Familienvater gehörte.
»Ich weiß nicht«, sagte er.
»Keine Angst«, beruhigte sie ihn, »ich fühle ihm nur ein wenig auf den Zahn. Um zehn bin ich bei dir. Wenn was ist, rufe ich dich übers Handy an.«
Er kramte seinen Schlüssel hervor und öffnete die Fahrertür. »Du kostest mich noch meinen letzten Nerv, Jenn!«
»Das hat mein Partner in Chicago auch immer gesagt.« Sie verabschiedete sich lachend und ging zu ihrem Wagen. »Grüß deine Frau und deine Kinder von mir«, rief sie ihm zum Abschied nach.
12
»Aber ich habe doch selbst gesehen, wie er sie aus dem Bett gezerrt und auf den Boden geworfen hat«, sagte Alessa, als sie mit Jack Crosby über den Vorfall im Krankenhaus sprach. »Ich könnte als Zeugin gegen Owen Murrell aussagen. Das würde reichen, um ihn ein
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