Ghostwalker 02 - Raven, M: Ghostwalker 02
verursacht, die sie sich nicht leisten konnte. Seitdem hatte sie sich bemüht, ihm so weit wie möglich aus dem Weg zu gehen. Es half auch nicht, dass er jetzt dem Rat vorstand, denn damit war er für alle Wandler im Lager verantwortlich, also auch für Jamila.
„Hast du etwas von Kainda gehört?“
„Nein, nichts. Und das beunruhigt mich, eigentlich hätte sie sich längst wieder melden müssen. Ihre letzte Mail ist jetzt schon Wochen her.“
Finn setzte sich neben sie und ließ die Beine über den Vorsprung hängen. Jamila hatte Mühe, die muskulösen Oberschenkel nicht anzustarren oder gar den Blick daran hinaufwandern zu lassen. Wenn sie die Augen schloss, konnte sie sich noch bis ins kleinste Detail daran erinnern, wie er an jenem Tag ausgesehen hatte. So kraftvoll und … groß.
„Vielleicht hat sie Probleme damit, in eine Stadt zu kommen, ohne aufzufallen. Ich nehme an, es ist hier ein wenig anders als bei euch“, sagte Finn.
Nun sah sie ihn doch an, hielt ihren Blick aber strikt auf sein Gesicht gerichtet. „Wir haben so wie ihr zurückgezogen in der Wildnis gelebt, wenn du das meinst. Das Konzept Stadt ist uns aber durchaus bekannt.“
Seine Zähne blitzten in seinem gebräunten Gesicht auf. „Autsch. Du kannst die Krallen wieder einziehen, ich wollte euch keineswegs beleidigen, nur darauf hinweisen, dass amerikanische Städte sicher etwas anders sind als afrikanische. Besonders wenn sie in die Nähe von San Francisco oder Los Angeles kommt.“ Sein Gesichtsausdruck wurde ernster. „Was ich nicht hoffe, denn dort ist die Gefahr einer Entdeckung viel zu hoch. Und deine Schwester könnte die Verbrecher, die unsere Existenz für ihre Zwecke ausschlachten wollen, direkt zu uns führen.“
Ärger stieg in Jamila auf. „Kainda würde uns nie verraten! Warum habt ihr sie überhaupt gehen lassen, wenn ihr uns nicht vertraut?“
Finns Augenbrauen schoben sich zusammen. „Was hätten wir denn tun sollen, sie hier einsperren oder sogar töten? Außerdem meinte ich nicht, dass sie freiwillig Informationen preisgibt, zumindest nicht, solange du bei uns lebst. Aber du weißt, was mit Bowen passiert ist.“
Jamila schloss die Augen. Wie könnte sie das vergessen, nachdem sie dazu beigetragen hatte, die Entführung des Jugendlichen zu ermöglichen. Nur knapp waren die Wandler damals einer Entdeckung entgangen, und noch heute hatte sie Albträume wegen ihrer Beteiligung an all dem Unglück. Sie war sehr dankbar, dass die Berglöwenmenschen ihr erlaubten, hier zu bleiben, obwohl sie ihren ehemaligen Anführer Coyle und seine Geliebte Marisa beinahe getötet hatte. Sie selber wäre wahrscheinlich nicht so großzügig gewesen, wenn einer der ihren verletzt worden wäre. „Kainda würde sich nie gefangen nehmen lassen.“
Schweigend hob Finn eine Augenbraue, bis Jamila errötete und wegblickte.
„Manchmal hat man keine Chance, das solltest gerade du wissen.“ Seine tiefe Stimme war noch rauer als sonst. „Aber wir sollten nicht das Schlimmste annehmen, sondern davon ausgehen, dass deine Schwester sich melden wird, sobald sie die Möglichkeit dazu hat. Wenn du möchtest, können wir eine Internetsuche nach ihr starten.“
Jamila grub die Zähne in ihre Lippe und nickte. „Ich könnte es nicht ertragen, nicht zu wissen, was mit ihr passiert ist. Sie ist alles, was ich noch habe.“
Finn sah aus, als wollte er etwas sagen, kam dann aber nur in einer eleganten Bewegung auf die Füße. „Ich sage dir Bescheid, wenn ich etwas herausgefunden habe.“
Jamila legte ihre Hand auf seinen Arm. Sie konnte der Versuchung nicht widerstehen, ihn noch einmal zu berühren, seinem warmen Körper so nah zu sein. Unwillkürlich glitten ihre Augen über ihn, und sie spürte, wie sich Hitze in ihr ausbreitete. Ihre Finger zitterten vor Verlangen, ihn zu streicheln. Nur gut, dass ihre dunkle Hautfarbe die Röte nicht zeigte, die in ihre Wangen gestiegen war. Rasch ließ sie ihn los. „Danke.“
Finn nickte knapp und verwandelte sich ohne ein weiteres Wort in einen Berglöwen. Für einen Moment sah Jamila ihm nach, wie er zum Lager zurücklief, bevor sie ihm langsamer folgte. Was sollte sie tun, wenn Kainda sich nicht mehr meldete? Ihr Gefühl sagte ihr, dass sie ihrer Schwester folgen musste, aber wie sollte sie sie jemals finden? Sie konnte überall sein, und Amerika war zu groß, um überall zu suchen. Allein der Westen war so gigantisch, dass solch eine Aktion von vornherein zum Scheitern verurteilt wäre. Doch was
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