Ghostwalker 02 - Raven, M: Ghostwalker 02
konnte sie sonst tun? Einfach nur hier sitzen und Däumchen drehen, während Kainda vielleicht in Lebensgefahr schwebte? Unmöglich. Obwohl es wahrscheinlich nichts bringen würde, schloss sie die Augen und damit alle äußeren Elemente aus. Kainda, melde dich!
Das Handy klingelte, als Edwards gerade ein kleines Diner betreten wollte, aus dem ihm der Duft nach frischem Kaffee entgegenströmte. Nachdem er die ganze Nacht nach Spuren gesucht hatte, war seine Energie erschöpft und er brauchte dringend einen Schuss Koffein. Es war alles nur die Schuld dieser verfluchten Leopardin, wie konnte sie so blöd sein, sich anfahren zu lassen? Und wie war es ihr gelungen, dass jemand sie mitgenommen hatte?
Er klappte das Handy auf. „Hast du was?“
„Ich habe mir alle Polizeiprotokolle in einem Umkreis von fünfzig Meilen besorgt und arbeite sie gerade durch. Mein Truckerkumpel war gestern unterwegs und meinte, er hätte über Funk nichts von einem Unfall gehört. Aber ich werde weiterforschen.“
„Gut. Ich brauche in zwei Stunden ein Ergebnis.“
„Aber …“
Ohne eine Antwort zu geben, klappte Edwards das Handy zu und schob es in seine Hosentasche. Nach seiner Erfahrung erzielte er so schneller, was er erreichen wollte, als wenn er Drohungen ausstieß. Es schadete natürlich auch nicht, dass ihm sein Ruf vorauseilte, auch wenn dieser größtenteils auf Gerüchten, Mutmaßungen und falschen Aussagen beruhte. Diejenigen, die dachten, sie hätten ihn und seine Motive durchschaut, lagen oft so weit daneben, dass es lachhaft war. Aber er machte sie nicht auf ihren Fehler aufmerksam, sondern ignorierte sie einfach.
Ein freudloses Lächeln hob seine Mundwinkel, als er das Diner betrat. Er suchte sich eine dunkle Ecke und wartete darauf, dass die Kellnerin an seinen Tisch kam.
„Was darf es sein?“ Sie kniff ihre Augen zusammen, während sie versuchte, ihn in der Dunkelheit richtig zu erkennen.
„Den stärksten Kaffee, den Sie haben, bitte.“
Ein wissendes Lächeln huschte über ihre Lippen. „Ah, lange Nacht, was?“
„Sehr lang.“ Damit lehnte er sich zurück und sah der Kellnerin nach, als sie zur Theke zurückeilte, um seine Bestellung zu erfüllen.
Wie war er überhaupt in diese Situation geraten? Jahrelang hatte er kleinere Sachen für seinen Auftraggeber erledigt, meist beschränkte es sich darauf, irgendwelchen Leuten eine Botschaft zu überbringen und sie ein wenig aufzumischen. Nur hin und wieder musste er jemanden endgültig verschwinden lassen. So wie diesen Henry Stammheimer vor drei Monaten. Sein Auftraggeber hatte ihm nicht gesagt, warum er den Wissenschaftler beseitigen sollte, aber er vermutete, dass es darum ging, sich eines Mitwissers zu entledigen und gleichzeitig dessen Forschungsergebnisse, unter anderem irgendeinen Film, an sich zu bringen. Und einen Berglöwen, der irgendwo im Haus versteckt sein sollte. Nur hatte er keinen gefunden. Also hatte er nur Stammheimer erledigt und seinen Computer mitgenommen, in der Annahme, dass sein Auftraggeber damit zufrieden sein würde.
Doch das war er nicht, ganz im Gegenteil. Besonders weil der von ihm gewünschte Film nicht auf dem Computer zu sein schien und auch auf keinem der Datenträger, die er mitgenommen hatte. Deshalb war Edwards gleich noch einmal zurückgefahren, aber nicht mehr zum Haus durchgekommen, weil die Polizei alles abgeriegelt hatte. Sie schienen jedoch auch nicht das gefunden zu haben, was sein Auftraggeber suchte, nachdem Stammheimers Tochter sie gerufen hatte – was ein Glück für ihn gewesen war, denn sonst hätte sein Auftraggeber ihn wohl nicht am Leben gelassen. Nachdenklich rieb er über die Narbe an seinem Hals. Wo war die Kleine überhaupt gewesen? Edwards war ihre Kleidung in einem der Zimmer aufgefallen, aber er hatte sie im Haus genauso wenig finden können wie den Berglöwen, der dort angeblich versteckt war. Deshalb war er lieber verschwunden, solange er es noch konnte, und hatte nicht auf ihre Rückkehr gewartet. Vielleicht war das ein Fehler gewesen, aber sein Auftraggeber plante sicher schon, wie er erfahren konnte, ob diese Isabel etwas wusste. Armes Mädchen.
Jamila! Der Name zuckte durch ihren Verstand und brachte sie an die Oberfläche zurück. Es kam Kainda vor, als wäre sie in Treibsand gefangen, sie konnte sich kaum bewegen, und ihre Gedanken waren zäh. Aber ihre Ohren funktionierten noch, ein seltsames Quietschen, das sie nicht zuordnen konnte, ließ sie zusammenzucken. Unerwartet schoss ein
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