Ghostwalker 02 - Raven, M: Ghostwalker 02
besser, wenn ich nicht erst noch zehn Meilen fahren muss, sondern gleich zur Stelle bin.“ Er wusste selber, dass er sich irrational benahm, aber er konnte sich nicht dazu durchringen, seine Patientin allein zu lassen. Vermutlich würde es reichen, wenn einer der Pfleger bei ihr blieb und ihn benachrichtigte, wenn etwas passierte, schließlich handhabten sie das schon seit Jahren so. Aber sein Gefühl sagte ihm, dass die Leopardin ihn brauchte, nicht nur medizinisch. Müde strich Ryan durch seine Haare. „Keine Sorge, ich werde es mir wieder auf der Liege gemütlich machen und vermutlich wie ein Stein schlafen.“
Bevor seine Kollegin ihm noch weitere Ratschläge oder Verhaltensregeln mit auf den Weg geben konnte, zog Ryan sich hastig zurück. Eine lange heiße Dusche wäre jetzt genau das Richtige, um seine schmerzenden Muskeln zu lockern. Besonders im Hinblick auf eine weitere lange Nacht auf der eher unbequemen Liege und der Tatsache, dass er nach dem Arbeitstag vermutlich nicht sonderlich gut roch. Nicht, dass es irgendjemandem auffallen würde, schließlich hatte er kein Date vor sich. Ein Lächeln hob seine Mundwinkel. Zumindest kein gewöhnliches. Der Leopardin war es vermutlich völlig egal, wie er roch, besonders in ihrem Zustand.
Der Gedanke an ihre Verletzungen verdüsterte seine Stimmung. Er hatte ein wenig recherchiert, aber nirgends eine Meldung gefunden, dass ein Park eine Leopardin vermisste. Also konnte sie eigentlich nur aus einem Privatgehege stammen, und wenn er ihre alten Narben und ihren Allgemeinzustand betrachtete, schien sie schlecht behandelt worden zu sein. Egal wem sie gehörte, er würde sie nicht zurückgeben, wenn nicht sichergestellt war, dass sie artgerecht gehalten wurde.
Was er mit ihr machen würde, wenn sich kein Besitzer fand, war ein weiteres Problem. Zu gern hätte er sie im Wild Animal Park behalten, aber Platz gab es nur im Gepardengehege, und es war fraglich, ob sich die verschiedenen Arten verstehen würden. Bliebe noch der Zoo von Los Angeles, in dem einige Schneeleoparden und Jaguare lebten. Aber auch dort war nicht gesagt, dass sich die Tiere vertragen würden. Wenn es so weit war, konnte er natürlich auch sämtliche Zoos anrufen, die große Gehege mit Leoparden besaßen, doch am liebsten hätte er die Leopardin auch weiterhin in seiner Nähe behalten.
Kopfschüttelnd schlüpfte Ryan aus seiner Kleidung und stieg unter die Dusche. Während das heiße Wasser auf seinen Kopf prasselte, ließ er seine Gedanken zur Ruhe kommen. Lynn hatte schon recht damit, dass er zu sehr für seinen Job lebte, aber bisher war ihm noch nichts begegnet, das damit konkurrieren konnte. Er liebte seine Tiere, ihre Eigenheiten und Besonderheiten, sie machten seine Arbeit zur reinen Freude. Bevor er in den Park gekommen war, hatte er eine Zeit lang in einer Kleintierpraxis gearbeitet, was auch interessant gewesen war, aber auf Dauer zu eintönig. Während eines Auswilderungsprojekts für Kondore am Grand Canyon, an dem er mitgearbeitet hatte, war ihm der Posten im Park angeboten worden, und er hatte die Entscheidung, ihn anzunehmen, bisher keine Sekunde bereut, auch wenn seine Freizeit oft darunter litt. Die neue Tierklinik des Parks war grandios und genau auf die Bedürfnisse der Tiere zugeschnitten, nur hatten sie derzeit einen fatalen Ärztemangel. Glücklicherweise waren das Gebäude und auch die Tiere des Parks mit viel Einsatz des Personals und der Feuerwehr im letzten Jahr vor den großen Buschbränden gerettet worden.
Als Ryan aus der Dusche kam, hatte Lynn nicht nur für Etana das Essen zubereitet, sondern auch für ihn etwas beim Restaurant besorgt und war bereits nach Hause gegangen. Angespannt öffnete Ryan die Tür des Aufwachraums und spähte hinein. Die Patientin lag genauso im Käfig wie vor einigen Stunden, als er das letzte Mal nach ihr gesehen hatte. Für einen Sekundenbruchteil blieb sein Herz bei der Vorstellung stehen, dass sie tot sein könnte. Eilig durchquerte er das Zimmer und hockte sich vor den Käfig. Erleichtert erkannte er, dass sie noch atmete. Seine Hände zitterten, als er die Schüssel auf den Boden stellte. Die Ohren der Leopardin stellten sich auf, sie hatte seine Anwesenheit bemerkt.
„Hallo, meine Schöne. Ich habe etwas zu essen für dich. Wahrscheinlich schmeckt es nicht sonderlich, aber damit bist du bald wieder fit.“
Sie drehte ihm langsam ihren Kopf zu. Die Nasenflügel zuckten, die Schnurrhaare zitterten. Eine Pfote bewegte sich, als
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