Ghostwalker 02 - Raven, M: Ghostwalker 02
wollte die Leopardin sich erheben.
„Nein, bleib liegen, du bist noch nicht so weit.“ Ryan öffnete die Tür des Käfigs und legte seine Hand auf den Rücken der Raubkatze. „Alles okay, ich bin es nur.“ Er beugte sich weiter vor und rieb ihren Hals. „Erinnerst du dich an mich? Wir haben die letzte Nacht zusammen verbracht.“ Ein Lachen schwang in seiner Stimme mit.
Unerwartet öffneten sich die Augen der Leopardin, und sie blickte ihn direkt an. Die Pupillen waren geweitet, sodass nur noch ein schmaler goldgrüner Ring der Iris zu sehen war. Wunderschön. Ihr Maul war leicht geöffnet, während sie seinen Geruch prüfte. Ihre Nase kräuselte sich, als würde ihr etwas missfallen. Vermutlich das Duschgel. Vorsichtig zog Ryan seine Hand zurück, bevor seine Patientin auf die Idee kam, seine Finger als Snack zu betrachten. Ein leises Grollen drang aus ihrer Kehle, während sie den Kopf hob. Es war eindeutig Zeit für einen geordneten Rückzug. Langsam und ohne sie aus den Augen zu lassen, bewegte Ryan sich aus dem Käfig heraus. Als sie keine Anstalten machte, ihm zu folgen, sondern ihn nur abschätzend betrachtete, beugte er sich wieder in den Käfig und stellte den Teller in die Nähe ihres Mauls. Obwohl sie das Futter riechen musste, hielt sie einen Moment länger seinen Blick gefangen, so als wollte sie ihn nicht aus den Augen lassen. Ryan verstand, dass sie nicht anfangen würde zu essen, solange er ihr noch so nah war, deshalb schloss er die Käfigtür und setzte sich mit dem Rücken zu ihr auf die Liege.
Nach einer Weile hörte er ein schlürfendes Geräusch, das ihn zum Lächeln brachte. Es war ein gutes Zeichen, dass sie fraß, sie schien sich auf dem Weg der Besserung zu befinden. Er warf einen kurzen Blick über die Schulter, um zu überprüfen, wie weit sie war, und stellte fest, dass sie ihn auch beim Fressen noch beobachtete, als hätte sie Angst, dass er ihr die Schüssel wegnehmen würde. Vielleicht war sie so dünn, weil ihr vorheriger Besitzer sie nie in Ruhe Nahrung hatte aufnehmen lassen. Ärger stieg in ihm auf, wie immer, wenn er an solche unfähigen oder bösartigen Menschen dachte. Wenn sie die Verantwortung für ein Tier übernahmen, mussten sie ihm auch alles bieten, was es zum Leben benötigte, egal ob Goldfisch oder Raubkatze.
Ryan schnitt eine Grimasse. Wenn Lynn noch hier wäre, würde sie sagen, dass er gerade wieder eines seiner Lieblingsärgernisse auslebte. Andererseits, wenn er jeden Tag mit kranken Tieren zu tun hatte, war es nur natürlich, dass er ihre Bedürfnisse besser kannte als die meisten anderen. Oder es lag daran, dass er eigentlich ein halbes Tier war, wie seine Mutter ihm schon als Kind gesagt hatte. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Auch wenn sie ihn manchmal damit aufzog, hatte sie ihn damals in seinen Interessen unterstützt und nicht über ihn gelacht, als er ihr schon als Vierjähriger verkündete, dass er später einmal Tiere heile machen würde.
Natürlich war der Job letztlich nicht so, wie er ihn sich als Kind vorgestellt hatte – er rettete nicht alle kranken Tiere, einige starben trotz aller Bemühungen, oder er musste sie sogar selbst einschläfern. Ein Konzept, mit dem er lange Zeit Schwierigkeiten gehabt hatte, bis ihm klar geworden war, dass manchmal der Tod eine Erlösung war. Trotzdem versuchte er immer noch alles Menschenmögliche, die ihm anvertrauten Tiere zu retten, auch wenn jeder andere sie schon aufgegeben hatte. Und mehr als einmal hatte sich sein Einsatz ausgezahlt.
Hätte ein anderer Tierarzt Etana wegen der Schwere ihrer Verletzungen eingeschläfert? Möglich. Ryans Herz krampfte sich zusammen. Die Vorstellung, die Leopardin dann nie gesehen zu haben, ließ ihn unruhig werden. Diesmal drehte er sich ganz um und sah ihr dabei zu, wie sie die letzten Reste ihres Futters herunterschlang. Ihre Zunge fuhr noch einige Male durch die leere Schüssel, bevor sie den Kopf hob und ihn anklagend ansah.
„Ja, ich weiß, das war dir nicht genug, aber es ist nicht gut, wenn du so viel auf einmal isst. Ich gebe dir nachher noch etwas.“ Ryan stand auf, ging in die Küche und füllte eine weitere Schüssel mit Wasser.
Kainda beobachtete regungslos, wie der Mann die leere Schüssel gegen eine mit Wasser austauschte. Ihre Sicht war seltsam verschwommen, sodass sie seine Gesichtszüge nicht genau erkennen konnte. Als er sich in den Käfig beugte, fiel eine schwarze Locke in seine Stirn. Ein dunkler Schatten lag über seiner unteren
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