Ghostwalker - Raven, M: Ghostwalker
Körper war nirgends eine Wunde zu sehen. Dafür ertönte hinter ihr ein Keuchen. Eiskalt lief es ihr über den Rücken und sie traute sich beinahe nicht, sich umzudrehen.
»Keira!« Isabels Schrei ließ sie herumwirbeln.
Alden, der offenbar stattdessen die Kugel abbekommen hatte, stützte sich schwer auf Isabels Schultern, Blut färbte sein grünes T-Shirt am Rücken dunkler. Sofort setzte sie sich in Bewegung. Sie mussten den Verletzten aus dem Gebäude bringen, solange Lee noch mit Caruso und Harken beschäftigt war. Ihre oberste Priorität war es, Isabel zu schützen. Alles andere musste warten, bis sie Zeit dazu hatte.
Als sie sah, dass Colt seinen Freund mehr oder weniger zum Ausgang schleppte, beeilte sie sich, zu ihnen aufzuschließen, und griff sich Isabels Arm, um sie daran zu hindern, ihrem Vater zu Hilfe zu eilen. Doch das Mädchen schien selbst erkannt zu haben, wie wenig es tun konnte, und lief freiwillig mit. Tief atmete Keira die Nachtluft ein, als sie Sekunden später durch die Tür nach draußen stürzten.
29
Unruhig ging Dawn hinter der Hecke auf und ab. Seit sie gesehen hatte, wie Caruso gemeinsam mit einer Frau und vier Männern in das Gebäude gegangen war, debattierte sie mit sich, ob sie ihnen folgen oder Verstärkung rufen sollte. Normalerweise hätte sie keine Sekunde gezögert, wenn sie eine Straftat beobachtete – und das war unbefugtes Eindringen in ein Haus definitiv –, doch in diesem Fall schien etwas vorzugehen, das sie nicht einschätzen konnte. Wieso zum Beispiel war Caruso sich so sicher, wo er seine Tochter finden würde? Und was waren das für Leute, mit denen er das Gebäude betreten hatte? Sie benahmen sich relativ normal, aber etwas an ihnen war … anders. Irgendetwas, ein Instinkt, den sie sich nicht erklären konnte, sagte ihr, dass es ein Fehler gewesen wäre, einzugreifen. Also hatte sie weiter hinter der Hecke gesessen und gewartet.
Zuerst war nichts geschehen, doch dann wurde die Tür aufgestoßen und ein nackter Mann kam zusammen mit einer Frau und einem anderen Mann heraus. Den Mann erkannte sie sofort wieder, es war der, der sie mittags angesprochen hatte – auch wenn er zu dem Zeitpunkt angezogen gewesen war. Dawn erhob sich, um sie zu befragen, aber sie liefen geradewegs zum Wald und sie wollte ihren Beobachtungsposten nicht aufgeben. Schließlich waren Caruso und seine Freunde noch im Gebäude. Nur wenige Minuten später öffnete sich die Tür erneut.
Dawn stockte der Atem, als sie neben einigen der Männer, die vorher mit Caruso hineingegangen waren, auch einen weiteren Mann sah, der wie einer der anderen ein Tier auf dem Arm trug. Im Schein einer Straßenlaterne erkannte sie zwei abgemagerte Berglöwen. Auf einem Tisch, den der dritte Mann mit einiger Mühe schob, lag ein Löwe. Eine Bewegung auf dem Boden ließ sie genauer hinsehen. Es war doch aber unmöglich, dass hier ein Leopard frei herumlief, oder? Vor allem schien sich keiner der Männer davon gestört zu fühlen. Als wäre es normal mit einer Raubkatze oder besser vier Raubkatzen spazieren zu gehen. Ganz eindeutig ging hier etwas Merkwürdiges vor! Nackte Menschen, Raubkatzen, die sich nicht in Käfigen befanden … das war alles nicht normal. Bevor sie sich entscheiden konnte, was sie unternehmen sollte, tauchte ein riesiger Adler auf und flog vor den Menschen und den Tieren her, als würde er ihnen den Weg zeigen. Kurz darauf waren auch sie im Wald untergetaucht.
Dawn schluckte. Was sollte sie tun? Konnte sie überhaupt etwas tun? Sie war alleine und wenn sie versuchte, die Gruppe zu stellen, würden die Raubtiere sie vielleicht angreifen. Während sie über ihre schmerzende Schläfe rieb, versuchte sie sich darüber klar zu werden, was hier vorging. Handelte es sich bei Carusos Freunden um militante Tierschützer, die in Labore einbrachen, um die dort gefangenen Versuchstiere zu befreien? Aber sie hatte noch nie davon gehört, dass große Raubkatzen für so etwas verwendet wurden. Wenn sie sich nicht irrte, waren das alles geschützte Arten. Und was hatte es mit dem nackten Mann auf sich? Vorhin war er ihr recht normal vorgekommen, aber inzwischen fragte sie sich, ob sie die einzige normale Person hier in der Gegend war. Und dann noch der Adler! Irgendetwas wirklich Seltsames ging hier vor.
Entschlossen trat sie um die Hecke herum und ging über den gepflasterten Hof auf die Tür zu, weil sie plötzlich das Gefühl hatte, handeln zu müssen. Noch einmal fragte sie sich, ob es nicht doch
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