Gib mir deine Seele
nahm es in die Hand. Gut die Hälfte des Sandes war inzwischen in die untere Kammer gelaufen. Mit schmalen Augen betrachtete Constantin den unglückseligen Chronografen. Doch der feine Sandstrahl, der unaufhörlich hinabrieselte, war mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Verdrossen stellte er ihn schließlich zurück und widerstand dabei der Versuchung, ihn auf den Kopf zu drehen. Geändert, das wusste er, hätte es ohnehin nichts. So einfach ließen sich die Götter nicht ins Handwerk pfuschen. Er seufzte.
Genau in diesem Augenblick löste sich der nächste Reif. Was auch immer das zu bedeuten hatte, es musste gut sein, denn er fühlte sich so leicht wie schon seit Ewigkeiten nicht mehr. Constantin griff zum Telefon. »Nicholas? Wir müssen reden …«
Pauline hatte sich zwar für eine nicht zu kleine Panty entschieden, aber es war dennoch nicht zu übersehen, dass sich ihr Po farblich deutlich vom Rest des Körpers abhob. Die Bissspuren auf der linken Brust allerdings wurden komplett vom passenden BH verdeckt, und sie gedachte nicht, ihn auszuziehen.
Bevor sie die Schneiderei betrat, holte sie noch einmal tief Luft, um dann mit einem fröhlichen »Guten Tag« einzutreten.
»Prima, da bist du ja. Dann können wir gleich anfangen.«
Erleichtert sagte Pauline: »Hi, Henry. Du misst mich aus?« Die Freundin würde sie bestimmt nicht bloßstellen, und ob sie Nicholas von dem Zustand ihres Hinterns erzählte, war ihr gleich. Auch wenn sie Constantin gegenüber etwas anderes behauptet haben mochte. Mit Sicherheit wusste Nicholas genau, welcher Art die Beziehung war, die sie führten. Henry allerdings hatte mehr als deutlich gesagt, was sie von Constantins dominantem Verhalten hielt. Sicherlich würde sie ihr Vorhaltungen machen.
»Es geht ganz schnell«, unterbrach die Freundin ihre Gedanken. »Die Daten für den Grundschnitt habe ich aus Barcelona mitgebracht. Wir möchten nur überprüfen, ob sich etwas verändert hat.«
»Hier?«, fragte sie und sah sich um.
Sieben Frauen unterschiedlichen Alters und ein junger Mann saßen an zwei langen Tischen und nähten, einige warfen Pauline neugierige Blicke zu. Weiter hinten hantierte eine ältere Frau mit einem Bügeleisen, das wie ein Drache fauchte. Aus dem Radio kam Popmusik.
»Wir können auch in das Zimmer der Direktrice gehen.« Henry zeigte auf eine Tür und ging voran.
Pauline versuchte das mulmige Gefühl in ihrer Magengegend zu kaschieren, indem sie den Schneiderinnen freundlich zulächelte.
Als Henry die Tür hinter sich schloss, sagte sie: »Ich hätte nicht gedacht, dass du immer noch so prüde bist.«
Pauline verzichtete auf einen Kommentar und zog sich bis auf die Unterwäsche aus.
Henry legte ihr das Maßband um. »Aha, Brustumfang ist beinahe gleich geblieben. Die kleine Differenz kann am BH liegen.« Sie notierte etwas auf einem Zettel, drehte sich wieder um und führte das Band vom Halsansatz auf Paulines Schulter bis zur linken Brustspitze, dies wiederholte sich auf der anderen Seite noch einmal. »Du glaubst gar nicht, wie unterschiedlich die Maße hier bei vielen Frauen sind.« Sie machte wieder Notizen. »Die gute Nachricht: Dein Busen sieht nicht nur gleichmäßig aus, er ist es auch. Die schlechte: Er hat sich gesenkt.«
»Im Ernst?« Pauline war einigermaßen entsetzt. Das hätte ihr doch auffallen müssen.
Henry lachte schallend. »Das war ein Witz! Es ist alles in Ordnung.« Danach maß sie die Taille aus.
Pauline musste kichern. Vor Erleichterung, aber auch, weil sich das Maßband kalt anfühlte.
»Hier hast du aber mächtig abgenommen.« Henriette runzelte die Stirn. »Verlangt Constantin das von dir?«
»Hast du eine Ahnung! Er füttert mich, wo er nur kann. Du hättest mal sehen sollen, was er mir heute alles zum Frühstück gemacht hat.«
»Er macht dir Frühstück?« Erstaunt hielt Henry mitten in der Bewegung inne. »Das klingt in meinen Ohren aber überhaupt nicht nach dem Constantin, den ich kenne. Hast du dir das eben ausgedacht?«
»Red keinen Unsinn. Warum sollte er mir kein Essen zubereiten, ich mache es doch auch für ihn?«
»Nicky kocht nicht.« Ihre Stimme hatte einen unzufriedenen Klang angenommen.
Pauline dachte an die verschiedenen Gelegenheiten, zu denen Nicholas ihr einen Imbiss zubereitet oder einen anderen Gefallen getan hatte, der sicherlich nicht zu seiner Jobbeschreibung, sondern in die Kategorie gegenseitige Freundschaftsdienste gehörte. Doch das würde sie nicht erzählen. Henry mochte insgeheim nach
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