Gift und Geld

Hunde — nur daß Ihre Reflexe durch Sex und nicht durch
Fressen bedingt werden«, sagte sie eisig. »Oder haben Sie vielleicht noch nie
von Pawlow gehört?«
    »Hat
er nicht beim Finnigan -Quintett vor ein paar Jahren
Tenorsaxophon gespielt?« fragte ich vorsichtig. »Klar — jetzt erinnere ich mich
— , er aß so viel, daß er fett wurde, und seine Hunde fraßen ihn die ganze Zeit
über auf.«
    » Finnigan -Quintett?« stöhnte sie hilflos.
    »Unterschätzen
Sie Finnigan nicht!« warnte ich sie. »Er hatte die
Reflexe dieser Burschen so weit trainiert, daß sie jedesmal ,
wenn er nur mit einer Braue zuckte, bereits fünfzehn Takte von Muskrat Ramble gespielt hatten!«
    »Verschwinden
Sie, Al, mein Süßer! Ja?« flehte sie. »Lassen Sie mich und meine Gänsehaut
allein und meine Reflexe in Ruhe.«
    »Wenn
man sich darüber im klaren ist«, fuhr ich
erbarmungslos fort, »daß der fünfzehnte Takt von Muskrat Ramble schon beinahe außerhalb des Ortes liegt — na! Sie können sich vorstellen, wie
erst die...«
    »Ich
kann es nicht mehr aushalten!« wimmerte sie. »Verduften Sie und vermiesen Sie
jemand anderem das Dasein!«
    »Na
schön«, sagte ich in verletztem Ton. »Wenn Sie darauf bestehen.«
    Das
Telefon klingelte, und ich nahm den Hörer ab, weil ich am nächsten stand und
Annabelle so aussah, als ob sie eine Art hysterischen Anfall ausbrütete.
    »Sind
Sie’s, Lieutenant?« fragte eine Stimme, die klang, als ob jemand Holz spaltete.
    »Ja«,
sagte ich. »Was gibt’s, Sergeant?«
    »Ich
beobachte die Wohnung dieses Kirkland seit acht Uhr heute morgen «, sagte Polnik in
anklagendem Ton. »Jetzt ist es bereits elf Uhr dreißig, und er ist noch nicht
herausgekommen. Sieht ganz so aus, als ob er im Bett bliebe. Was soll ich tun,
Lieutenant?«
    »Bleiben
Sie, wo Sie sind und behalten Sie das Haus im Auge«, sagte ich kurz.
»Vielleicht ändert er seine Pläne später noch.«
    »Wie
Sie meinen, Lieutenant«, sagte er mißgestimmt . »Aber
es wird allmählich eintönig.«
    »Lassen
Sie das Haus nicht aus dem Auge«, wiederholte ich und erkannte dann blitzartig
eine Chance, an diesem lausigen Tag eine gute Tat zu begehen. »Haben Sie
Carvers Bericht über die vergangene Nacht gehört?« fragte ich beiläufig.
    »Er
hat behauptet, als ich ihn heute morgen ablöste, es
sei nichts vorgefallen«, sagte Polnik düster.
    »Dieser
Carver!« Ich seufzte. »Er übertreibt es mit dem Mundhalten! Ich wette, er hat Ihnen
noch nicht mal von dem Taxi erzählt, das gegen halb drei Uhr morgens ankam? Wie Kirkland herunterkam, um sie hinaufzuholen ?«
    »Er
hat mir nichts erzählt«, brummte Polnik .
    »Nun,
irgendwann müssen sie schließlich wieder weggehen — alle drei«, sagte ich.
»Achten Sie darauf, daß Sie sie nicht übersehen, wenn es so weit ist — vielleicht
geht Kirkland mit.«
    »Wer
sind >sie    »Diese
drei Frauenzimmer von der Revue, die im Augenblick im City-Theater läuft«, sagte ich geduldig. »Zwei blonde und eine dunkle — Sie können sie gar
nicht übersehen. Carver sagte, sie seien alle groß und sehr gut gewachsen.
Passen Sie bloß auf, daß Sie von dem Flitterzeug nicht geblendet werden!«
    »Flitterzeug?«
sagte Polnik mit erstickter Stimme.
    »Klar
— sie tragen alle dasselbe Kostüm: Büstenhalter und Höschen mit Goldflitter.«
    Es
gab einen scharfen Knacks in meinem Ohr, als Polnik abrupt einhängte. Ich wäre gern noch ein bißchen länger im Büro geblieben, um
Annabelle aufzuheitern — aber im Augenblick sah sie aus, als ob man nur mit einer
Dreistufenrakete an sie herankommen könnte. Ich ging also statt dessen zum
Healey hinaus und fuhr in die Innenstadt, um das Büro von Berkeley
& Miller, Rechtsanwälte, aufzusuchen.
    Es
war ein heller sonniger Vormittag, und die rothaarige Mona Gray am Empfang
hatte sich entsprechend angezogen. Sie trug ein reizendes, nicht zu einfaches kornfarbenes Baumwollkleid mit gestickten blauen und weißen
Gänseblümchen um Halsausschnitt und Saum. Ein enganliegender Gürtel um ihre
Taille ließ bei den großzügigen Rundungen an eine Sanduhr denken.
    »Herrlich,
Sie wiederzusehen!« sagte sie mit Wärme. »Aber kommen Sie nicht acht Stunden zu
früh?«
    »Ich
werde heute so schnell mit meiner Arbeit fertig«, sagte ich. »Ich kann mich
also heute nachmittag im Hinblick auf unsere Verabredung
ausruhen. Ich dachte, ich könnte mich vielleicht zwei Stunden unter einer
Schönheitsmaske entspannen, anschließend mein Haar tönen und richten lassen