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Gift

Gift

Titel: Gift Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gordon
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dich, wenn wir die Fotos machen können.«
    Samuel betrat die Wäscherei. Hinter dem Ladentisch stand eine
junge Chinesin, die ihn von Kopf bis Fuß musterte. »Guten Tag«, sagte
Samuel, »sprechen Sie Englisch?«
    »Natürlich. Was kann ich für Sie tun?«
    »Mr. Song hat mich zu Ihnen geschickt. Ich würde gern mit Mae
Ming sprechen.«
    »Sind Sie Mr. Hamilton?«
    »Ja«, antwortete Samuel überrascht.
    »Miss Ming erwartet Sie bereits.« Die junge Frau klappte den
mittleren Teil der Ladentheke hoch und bedeutete Samuel, ihr zu folgen.
Sie traten durch die Tür in der Rückwand des Ladens in einen großen
Raum, in dem mehrere Chinesen damit beschäftigt waren, schmutzige
Wäsche zu sortieren und große Waschmaschinen zu beladen. Samuel folgte
der jungen Chinesin in einen engen Flur, wo sie vor einer Tür
stehenblieb und klopfte. Durch das große Glasfenster, das sich daneben
befand, sah Samuel eine grauhaarige Chinesin, die, in ihre Arbeit
vertieft, an einem Schreibtisch saß. Das Mädchen öffnete die Tür, und
sie betraten das kleine Büro.
    »Das ist Mr. Hamilton«, sagte das Mädchen.
    Die alte Chinesin stand auf, und erst jetzt erkannte Samuel,
dass sie fast eins achtzig groß war. Sie hatte kurzgeschnittenes graues
Haar und trug eine altmodische Hornbrille. Samuel fand, dass sie damit
und mit ihren hohen Wangenknochen mehr an eine Gelehrte erinnerte und
nicht gerade wie die Geschäftsführerin einer Wäscherei aussah. Sie
reichte ihm lächelnd die Hand. »Ich bin Mae Ming. Mr. Song hat mir
bereits von Ihnen erzählt. Wenn ich ihn recht verstanden habe, haben
Sie ein Problem in Contra Costa County und hätten dabei gern ein
bisschen Unterstützung.«
    »Ja«, gestand Samuel. Die Ausdrucksweise und das Auftreten der
Frau gefielen ihm auf Anhieb. Sein Blick wurde von dem Bücherregal
hinter ihrem Schreibtisch angezogen. Es war voll mit Romanen und
Lyrikbänden mit englischen Titeln, wissenschaftlichen Zeitschriften und
Notizbüchern mit chinesischen Schriftzeichen auf dem Rücken. Samuel
konnte es sich nicht verkneifen, die Diplome zu studieren, die neben
dem Bücherregal an der Wand hingen, und zu seiner Überraschung stellte
er fest, dass Mae Ming an der University of California in Berkeley in
Biologie promoviert hatte.
    »Ist das Ihr Doktortitel?«, fragte Samuel erstaunt.
    »Ja. Aber in einer chinesischen Familie muss man sich leider
manchmal zwischen Eltern und Karriere entscheiden. Meine Familie ist
sehr konservativ. Vor acht Jahren kam der Punkt, an dem meine
ehrenwerten Eltern wegen des sich ständig verschlechternden
Gesundheitszustands meines Vaters die Firma, die sie aufgebaut hatten,
nicht mehr allein führen konnten. Deshalb bin ich eingesprungen. Nur
blieb es nicht bei dieser vorübergehenden Hilfe. Das County erlebte
damals gerade einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung, und auch unser
Betrieb wurde immer größer. Und ehe ich mich's versah, war ich in
meinem Fach nicht mehr auf dem neuesten Stand und konnte keine Stelle
mehr finden, zumal ich es als chinesische Frau in einer von Männern
dominierten Branche ohnehin schon schwer genug hatte. Doch was reden
wir hier über mich? Befassen wir uns lieber mit Ihrem Problem.«
    Samuel sah Mae Ming kopfschüttelnd an. »Ich weiß gar nicht, wo
ich beginnen soll.«
    »Ich kenne die Hintergründe Ihres Falls, und ich kenne Earl
Graves«, sagte sie mit einem verständnisvollen Nicken.
    »Demnach wissen Sie auch, dass er diese Schauermärchen über
die angeblichen Verbrechen von Mr. Marachaks Mandanten gezielt an die
Lokalpresse weitergeleitet hat.«
    »Ja, ich habe einige dieser Artikel gelesen. Obwohl mir von
Anfang an klar war, worauf er hinauswollte, habe ich mich dennoch die
ganze Zeit gefragt, wie lange er damit wohl noch durchkommt. So
betrachtet, bin ich also froh, dass Sie hier sind.«
    Samuel holte die Zeitungsausschnitte, die Janak ihm gegeben
hatte, aus seiner Aktentasche und breitete sie auf Mae Mings
Schreibtisch aus. Er erklärte die Bedeutung jeder einzelnen Meldung und
wie Deadeye Beweise entweder verfälscht oder, wenn er sie anders nicht
für seine Zwecke verwenden konnte, unerlaubterweise publik gemacht
hatte. Die alte Chinesin hörte Samuel aufmerksam zu und überflog die
Artikel, die sie noch nicht gelesen hatte.
    »Kennen Sie einige der Reporter, die das geschrieben haben?«,
fragte Samuel schließlich.
    »Ja, ich kenne sogar alle. Einige sind, wie übrigens auch Mr.
Graves selbst, Kunden von uns.«
    »Mr. Song meinte, Sie wüssten,

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