Gifthauch
»Deine Mutter war, wenn ich mich richtig erinnere, auch damals schon FBI-Beamtin. Sie war wahrscheinlich für die Sicherheit der Botschaft zuständig.«
»Ich war stellvertretende Rechtsattache«, erläuterte Jill bedächtig. »Zu meinen Aufgaben hat es gehört, mit den örtlichen und staatlichen Rechtsorganen zusammenzuarbeiten. Ich war Verbindungsbeamtin zwischen der tansanischen Polizei und dem Bureau.« Sie schaute ihren Sohn an. »Und ja, dein Vater hat für die CIA gearbeitet und nicht für das Außenministerium. Es tut mir leid, dass ich es dir noch nicht gesagt habe. Du hast recht, du bist alt genug, um es zu erfahren. Und jetzt leg bitte den Gang ein, Michael, und fahr los.«
Derek erklärte ihm, wohin er fahren sollte, und wenig später erreichten sie William Harringtons Haus. Jills Wagen parkte noch immer davor. Sie stieg aus und verlud Dereks Marschtaschen in ihr Auto, dann beugte sie sich neben dem Honda Civic vor, um mit Michael zu sprechen.
»Fahr wieder zur Schule«, forderte sie ihn auf. »Ich rufe dort an und erkläre alles. Ich bezweifle, ob ich heute Abend pünktlich zu Hause bin. Kommst du allein zurecht?«
Michael zuckte mit den Schultern. »Ja, aber bist du sicher, dass du keine Hilfe von mir brauchst?«
Jill lächelte. »Ja, ganz sicher.«
»Tatsächlich könntest du uns helfen«, mischte sich Derek ein und hinkte herbei. »Hast du ein Handy?«
»Ja.«
»Gut. Ich fürchte, dass die Schlange dieses Haus vielleicht mit einer Falle versehen hat. Deine Mutter und ich müssen es abgehen, dann sehr langsam eindringen und uns vergewissern, dass es sicher ist. Ich wüsste es wirklich zu schätzen, wenn du hierbleiben und warten könntest, bis wir dir unser Okay geben.«
Derek hielt inne. »Und falls das Haus in die Luft fliegt, wäre es nett, wenn du einen Rettungswagen rufen würdest.«
Michael riss die Augen auf. »Glauben Sie denn …«
»Und wenn wir, naja, in Flammen stehen«, fuhr Derek fort, ein Grinsen im Gesicht, »dann wäre es nett, wenn du uns löschen würdest.«
Jill seufzte. Sie klopfte ihrem Sohn auf den Arm.
»Wir kommen schon klar.«
»Aber warte auf unsere Meldung«, ordnete Derek an.
»Ich gebe Ihnen fünf Minuten«, sagte Michael. »Sollen wir jetzt unsere Uhren … äh … abgleichen?«
Derek blickte auf seine Uhr. »Ich habe vierzehn Uhr achtzehn.«
Michael schaute auf seine Uhr und stellte sie. »Okay.«
»Wir geben dir ein Signal, ehe wir hineingehen«, erklärte Derek. »Zuerst gehen wir nur um das Haus herum und sehen uns alles von außen an. Aber sobald wir hineingehen, fängt die Uhr an zu ticken. Hast du verstanden?«
»Jawohl«, sagte Michael.
»Guter Mann.« Derek reichte ihm die Hand. »Schön, dich kennenzulernen, Michael.«
Michael schüttelte Derek die Hand. »Finde ich auch. Ich würde gern … ich würde gern mehr über meinen Vater erfahren.«
Derek nickte. »Wenn diese Sache vorüber ist, sage ich dir, was ich weiß. Abgemacht?«
»Abgemacht.«
»Und fahr nicht weg, ehe wir dir das Signal geben.«
Derek kehrte zu Jills Wagen zurück und kramte in seinen Marschtaschen, dann zog er den elektronischen Dietrich, eine Werkzeugtasche und eine Taschenlampe hervor. Er zögerte kurz, dann nahm er auch den Atropin-Pen, nach dem der Birminghamer Polizist ihn gefragt hatte. Er humpelte zu Michael und gab ihm den Pen.
»Das ist für den Fall, dass wir Sarin einatmen. Es ist ganz einfach. Du drehst diese Kappe hier ab und haust uns den Stift in den Oberschenkel oder den Hintern. Einfach durch die Kleidung. Lies die Anleitung.«
Michael wirkte ängstlich.
»Das ist nur eine Vorsichtsmaßnahme, Michael.« Derek neigte sich näher zu ihm. »Da ist nur eine Dosis drin. Wenn du dich also entscheiden musst, dann entscheide dich für deine Mutter.«
»J-ja, Sir.«
»Nur keine Sorge«, versuchte Derek, ihn zu beruhigen. »Uns passiert nichts.« Er wandte sich ab und ging zu Jill.
42
14.20 Uhr
Während sie auf die Vordertür zusteuerten, sagte Jill: »Ich habe schon die ganze Zeit gedacht, dass Sie mir bekannt vorkommen.«
Derek nickte und musterte die Tür von William Harringtons Cape Cod. »Ich hatte auch direkt das Gefühl, dass wir uns schon begegnet sind. Michael sieht seinem Vater wirklich ähnlich.«
Jill biss sich auf die Lippe und schwieg.
Derek neigte den Kopf zur Seite. »Tut mir leid, dass ich die Sache mit der CIA ausposaunt habe.«
»Schon okay. Wurde wohl sowieso Zeit, dass er es erfährt.« Jill wandte sich wieder der Tür zu.
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