Gifthauch
drehte Gray sich um.
»Ich erwarte eine Antwort. War Jill Church mit Derek Stillwater im Leichenschauhaus?«
Simona schluckte. »Matt, Sie müssen das ernst nehmen. Dieser Kerl …«
»Stillwater?«
»Wie bitte?«
»Mit diesem Kerl meinen Sie Derek Stillwater.«
»Nein! Die Schlange natürlich. Er hat den ganzen Tag mit uns gespielt. Er benutzt die Szenarien als Grundlage für seine Anschläge –«
»Ja, ich hatte Gelegenheit, das eine Szenarium zu lesen, auf dem alles beruhte. Sehr interessant. Und es ging zu Ende mit dem Anschlag auf das Casino um vier Uhr, von dem wir wissen, dass es nicht dazu kam.«
»Aber er musste wissen, was wir bis dahin über ihn herausgefunden haben. Warum sonst sollte er Harringtons Büro und sein Haus vermint haben? Wie …«
Gray knallte die Faust auf den Tisch. »Agent Toreanno, das reicht. Sie haben Ihren Bericht abgeliefert. Danke. Gehen Sie in Ihr Büro und legen Sie ihn schriftlich nieder. Ich wünsche einen genauen Rapport über alles, was im Leichenschauhaus passiert ist, einschließlich der Gegenwart von Jill Church. In genauer zeitlicher Abfolge.«
Toreanno erhob sich langsam. »Sie müssen das ernst nehmen. Sie müssen doch begreifen, dass er für heute Abend um acht vielleicht einen weiteren Anschlag plant. Wir können jetzt nicht die Hände in den Schoß legen.«
Gray setzte sich an seinen Computer und begann, Tasten zu drücken. »Sie können gehen.«
Simona spürte, wie ihr die Hysterie in die Stimme stieg. »Matt, Sie verhalten sich wie ein Idiot.«
Er wandte sich zu ihr um. »Wie bitte?«
»Seien Sie doch kein Esel! Sie nehmen den besten Fall an. Sie müssen aber den schlimmsten voraussetzen! Was wird aus Ihrer kostbaren Karriere, wenn die Schlange noch lebt und wieder tötet, und Sie haben die Operation abgebrochen?«
Grays Stimme war tonlos. »Verschwinden Sie. Und betrachten Sie sich als verwarnt, Agent Toreanno. Noch so ein Ausbruch, und Sie können zusammen mit Jill Church zum Arbeitsamt gehen.«
Sie setzte zu einer Antwort an, besann sich jedoch eines Besseren, fuhr auf dem Absatz herum und verließ sein Büro. Sie ballte und öffnete die Fäuste. Ihr war angst und bange, weil sie zwei Wahlmöglichkeiten hatte und keine von beiden gut war. Sie konnte in ihr Büro gehen, ihre Berichte schreiben, nach Hause fahren und beten, dass William Harrington tatsächlich die Schlange gewesen und alles vorüber war. Oder sie konnte Grays Befehle missachten, sich der Insubordination schuldig machen und, ganz gleich, wie es ausging, somit wahrscheinlich ihre Arbeit, ihre Karriere und ihre Pension vergessen.
Doch eigentlich blieb ihr keine Chance. Sie musste mit Jill und Stillwater zusammenarbeiten.
Simona hielt auf den Aufzug zu und war beinahe dort, als Roger Kandling auftauchte.
»Simona!«
Sie wandte sich ungeduldig um. »Was ist?«
»Ich muss kurz mit Ihnen reden. Kommen Sie mit.«
Erstaunt folgte sie Kandling. Sie und Roger standen auf gleicher Dienststufe und konkurrierten in gewisser Weise miteinander. Kandling war sozusagen Matt Grays Protegé; und wurde auf den Posten des Außenstellenleiters vorbereitet, den er übernehmen sollte, sobald Gray woandershin versetzt wurde. Er war ein guter Agent: ein politischer Mensch, ehrgeizig, smart. Ihrer Meinung nach klebte er zu sehr an den Vorschriften und ließ kreative Initiative vermissen, doch beim FBI konnte so etwas durchaus eine gute Voraussetzung für das Vorankommen sein.
Er führte sie durch die Räumlichkeiten zu einer Verhörzelle.
»Was ist da drin?«, verlangte sie zu wissen.
»Ich muss Sie unter vier Augen sprechen. Es ist wichtig.« Er bedeutete ihr, vor ihm einzutreten.
Schulterzuckend ging sie in die Verhörzelle vor, die im Grunde nur ein Büroraum mit Tisch und Stühlen war, ohne Fenster, ohne Dekoration. Kaum stand sie in dem Zimmer, als sich hinter ihr die Tür schloss. Sie griff nach dem Knauf, doch die Tür war verriegelt. »He! Lassen Sie mich raus!«
Im nächsten Moment kam Roger Kandlings Stimme über die Sprechanlage. »Ich mache das auf direkte Anweisung von Matt, Simona. Es tut mir leid. Er findet, es ist zu Ihrem Besten. Er wusste, dass Sie auf eigene Faust losziehen wollten, und er möchte nicht, dass Sie in Schwierigkeiten geraten. Entspannen Sie sich und …«
Simona hörte gar nicht mehr zu. Sie konnte nicht glauben, was hier geschah. Doch statt zu schreien, nahm sie ihr Handy heraus und wählte Jill Churchs Nummer.
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18.25 Uhr
Kevin Matsumoto lebte nach den
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