Giftkuss
Freundin.«
»Wie kommst du darauf? Das weißt du doch gar nicht!«
Wenn Cleo wüsste, wie oft Katharina die beiden beobachtet und um ihre Freundschaft beneidet hatte!
»Du begibst dich zum Beispiel in Gefahr, um Anjas Mörder zu finden. So etwas machen nur gute Freundinnen. Und so ein Lebkuchenherz, was ist das schon?«
Die Worte flossen einfach nur so aus ihr heraus. Es war plötzlich ganz leicht. Und trotz Cleos Leid fühlte sich Katharina mit einem Mal richtig wohl.
»Meinst du?«, fragte Cleo und schaute Katharina mit glasigen Augen an.
»Na klar! Ich wäre froh, wenn ich eine Freundin wie dich hätte.«
Was für ein Satz! Hätte sie vorher gewusst, was sie sagen würde, hätte sie ihn wahrscheinlich zurückgehalten. Aber jetzt war es zu spät.
Cleo rückte ein Stück zur Seite, damit sie Katharina besser anschauen konnte. Die wäre vor Scham am liebsten im Erdboden versunken.
»Du bist wirklich sehr nett, Katharina. Auch wenn du nicht recht hast. Anja war eine gute Freundin, ich nicht!«
Sie steckte ihr benutztes Taschentuch in die Hosentasche und stand auf.
»So, jetzt ist Schluss damit!« Sie schloss den Deckel der Kiste. »Wir müssen weitermachen.«
Katharinas Bauch verkrampfte sich. So gerne hätte sie diesen Moment eingefroren. Einfach noch ein bisschen gemeinsam hier sitzen und die Nähe genießen.
»Machst du den Schrank? Dann geh ich zu dem Schreibtisch.«
Katharina nickte und die beiden Mädchen trennten sich. Cleo ging in die dunkle Ecke zum Sekretär, Katharina zum sonnenbeschienenen Schrank. Sie öffnete ihre Tasche, zog sich möglichst geräuschlos ein Paar Einmal-Handschuhe über und holte das blutverschmierte Hemd ganz vorsichtig aus der Plastiktüte. Normalerweise hatte sie kein Problem mit Blut, schließlich hatte sie täglich in der Gerichtsmedizin damit zu tun. Doch als sie das angetrocknete But von Anja auf dem T-Shirt sah, wurde ihr schwindelig und es pulsierte in ihren Ohren.
Die dunkelrote Lache auf dem weißen Steinboden, erst auf der Platte, auf der der Kopf lag, dann in den Fugen…
Sie musste sich setzen, sofort. Sie ging in die Knie und blickte rüber zu Cleo, die auf einem alten Bürostuhl saß und sich tief über eine geöffnete Schreibtischschublade beugte. Katharina wollte ihre Idee in die Tat umsetzen, doch die Angst hemmte sie. Sie hatte nicht genug Zeit zum Nachdenken gehabt, wer wusste schon, was sie alles nicht bedacht hatte. So hockte sie einfach nur da, das Hemd in der Hand, und starrte zu Cleo.
In dem Moment zog eine Wolke vor die Sonne und die Farbe des Lichts auf dem Dachboden wechselte schlagartig von einem warmen Gelb zu einem nüchternen Grau. Der Stimmungswechsel riss Katharina aus ihrer Starre. Sie erhob sich und richtete sich gerade auf. Mit fester Stimme rief sie laut und deutlich: »Hier, ich hab was gefunden!« Und dabei hielt sie das Shirt in die Luft.
Cleo ließ sofort alles liegen und kam angerannt. Als sie erkannte, dass das Hemd voller Blut war, blieb sie einige Meter entfernt stehen.
»Iiihh«, rief sie und verzog angeekelt das Gesicht. »Was ist das?«
»Ein Hemd mit Blut. Es gehört bestimmt Anjas Stiefvater, so groß wie das ist.«
»Wo hast du es gefunden?«
»Im Schrank.«
»Das ist ja widerlich. Meinst du…« Cleo sprach nicht weiter. Entsetzt hielt sie die Hände vor den Mund. Ihre Augen waren weit aufgerissen und sie hielt die Luft an.
Katharina sagte: »Vielleicht ist das der Beweis, den wir brauchen. Komm, wir lassen das mit dem Tagebuch.«
»Ja… ja…« Zu mehr war Cleo nicht in der Lage. Sie zitterte am ganzen Leib, setzte sich auf die Kiste und legte das Gesicht in die Hände. »Es ist entsetzlich. Es ist alles so entsetzlich!«
Katharina nahm eine verstaubte Plastikplane, die auf dem Boden lag, und wickelte das Hemd darin ein. Sie stand unter absoluter Hochspannung, noch war das Spiel nicht gewonnen. Trotzdem spürte sie einen Anflug von Euphorie. Cleo hatte den Köder geschluckt.
»Ich steck’s in meine Tasche.«
Cleo rührte sich nicht. Katharina legte ihr eine Hand auf die Schulter.
»Komm, Cleo, wir verschwinden.«
»Ja«, sagte sie leise und ließ sich wie hypnotisiert von Katharina zur Treppe führen.
Sie stiegen in den ersten Stock hinunter, schoben die Treppe wieder hoch und stellten den Stab zurück in seine Ecke. Während dieser ganzen Zeit konzentrierte sich Katharina auf ihren neuen Plan, wägte ab, prüfte jeden Schritt und wurde langsam ruhiger. Es fühlte sich alles richtig an.
»Komm
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