Giftspur
Wohnungen überprüfen. Außerdem sollte Michael die Ressourcen des Präsidiums nicht übermäßig in Beschlag nehmen.
Valentin Knuppke, so verriet ein mit Edding angefertigtes, mit Schnörkeln verziertes Papierschild, lebte mit zwei weiteren Männern in der WG . Hakon und Silas, Nachnamen gab es keine, und aus den drei Anfangsbuchstaben war die Abkürzung VHS geformt, umgeben von einem fünfzackigen Stern und mit der Ergänzung »Club« versehen.
V
olkshochschule.
Oder
Video Home System.
Das Logo erinnerte entfernt an das RAF -Symbol, und den pornographisch anmutenden Verzierungssymbolen zufolge spielte es kaum auf Volkshochschule an. Sabine lächelte müde, und auch Ralph schien sich seinen Teil zu denken. Sie hatten es also mit echten Witzbolden zu tun.
Die Tür öffnete sich wider Erwarten recht schnell, es zeigte sich eine junge Asiatin, gestylt und geschminkt, aber in Jogginghose.
»Was wollen
Sie
denn?« Pikiert musterte sie die beiden Kommissare, die weder vom Alter noch vom Typ her in ihre Welt zu passen schienen.
»Ich bin auf der Suche nach Janine«, antwortete Sabine freundlich, aber bestimmt. »Es ist sehr dringend.«
»Sind Sie ihre Mutter?«
Na danke. Sabine rechnete kurz nach. Biologisch hatte es zwar schon weitaus Absonderlicheres gegeben, als mit dreißig eine fünfzehnjährige Tochter zu haben. Viel mehr störte es sie, dass man sie als Dreißigjährige wahrnahm. War es blanke Süßholzraspelei, wenn Michael ihr gegenüber sagte, dass sie noch immer wie Anfang zwanzig aussah?
Männer.
»Sie kennen sie also«, erwiderte sie prompt, um der Kleinen erst gar nicht die Chance zu geben, sich herauszureden.
»Na und?« Schulterzucken.
»Ich sagte ja bereits, es ist sehr dringend, dass ich mit ihr spreche.
Jetzt.
«
Die Asiatin drehte den Kopf nach hinten und rief: »Janni!«
Es dauerte einige Sekunden, dann lugte ein Sabine wohlbekanntes Gesicht aus einem abgedunkelten Zimmer. Schnell vergewisserte sie sich, dass Angersbach nicht an ihr vorbeiblicken konnte, denn sie befürchtete, dass sie Janine tatsächlich in einer verfänglichen Situation gestört haben könnte. Doch dann trat das Mädchen in den Flur, bekleidet im üblich schwarzen Look, und sah sie erstaunt an.
»Hä? Was machen Sie denn hier?« Dann erkannte sie ihren Halbbruder, und aus dem Erstaunen wurde ein erboster Blick. »Ich glaub’s ja wohl nicht!«
Unentschlossen, ob sie aufstampfen, schreien, auf ihn zurennen oder lieber zurück in ihre Räucherhöhle kriechen sollte, verharrte Janine. Geistesgegenwärtig schob Sabine sich an der nicht minder entsetzt glotzenden Asiatin vorbei und trat auf das Mädchen zu. Sie fasste sie sanft am Arm, als sich im Halbdunkel ein Mann zeigte.
»Was kreischt ihr denn so?«
»Lassen Sie mich!«, empörte sich Janine.
»Stell keine Fragen und vertrau mir«, stieß Sabine zwischen den Zähnen hervor. »Du
musst
jetzt mit mir mitkommen. Sofort.«
Nur widerwillig ließ Janine sich darauf ein, aber die Dominanz in Sabines Gestik und Mimik schien sie beeindruckt zu haben. Kein Polizeigeschwätz, kein Bitten und Flehen, sondern eine klare Ansage. Und dem Himmel sei Dank hielt Angersbach sich zurück, bis die beiden die Wohnung verlassen hatten und im Treppenhaus standen.
»Verdammt, Janine, ich hab x-mal versucht, dich zu erreichen«, sagte er vorwurfsvoll.
»Und wenn schon«, stieß diese hervor. »Was soll der Scheiß denn? Ich bin
erwachsen,
kapiert ihr das nicht?«
»Du kapierst hier doch nichts!«, rief Angersbach, und im Hintergrund öffnete sich die Wohnungstür erneut. Sabine trat einen Schritt zurück, wisperte ein paar beruhigende Worte, dass alles in Ordnung sei,
Familienangelegenheit,
und zog sie wieder zu.
»Verschwinden wir hier, und kein Anpflaumen bitte«, sagte sie harsch und schob die beiden in Richtung Treppe. »Wir erklären dir alles, aber erst draußen am Auto«, sagte sie, »bis dahin geht euch bitte noch nicht an die Gurgel.«
Janine wollte offenbar ihrer Empörung Luft machen, hielt sich aber zurück und fluchte nur grimmig vor sich hin.
Schwerer Dunst legte sich über die Stadt. Um die Leuchtkörper der Straßenlaternen bildeten sich milchig leuchtende Höfe. Alle fünfundzwanzig Meter eine kleine Supernova in vier Meter Höhe.
Schweigend warteten die drei Personen auf das Taxi, das glücklicherweise nicht lange auf sich warten ließ. Angersbach hatte im Vorfeld den Vorschlag gemacht, dass eine gemeinsame Fahrt nach Hause nicht die schlechteste Idee sei. Ein
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