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Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Gillian Shields - Der Zauber der Steine

Titel: Gillian Shields - Der Zauber der Steine Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Band 3
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brauchen unsere Kräfte nicht mehr, weil alles vorbei ist.«
    Ich erkannte die Hoffnung in ihrer Stimme und die Angst in ihren Augen. Die arme Evie, sie hatte so viel durchgemacht. Sie war hin- und hergerissen, von einer Sekunde auf die andere wechselten ihre Gefühle von neu gewonnener Stärke bis zu dem Wunsch, vor der Vergangenheit einfach nur davonzulaufen. Was hätte ich in diesem Moment dafür gegeben, die Situation nach ihrem Wunsch verändern zu können. Aber ich konnte es nicht. Ich hätte ihr so gerne die Wärme von Joshs Lächeln und den Trost seiner Umarmung geschenkt.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein für alle Mal vorbei ist, Evie«, sagte ich sanft. »Glaubst du nicht auch, dass der Zirkel wieder zusammenfindet? Diese Frauen hassen uns. Warum sollten sie uns in Ruhe lassen? Mrs Hartles Körper mag zwar tot sein, aber ihr Geist ist es nicht. Wir haben sie selbst mit ihrem Unbesiegten Meister ins Reich der Schatten gehen sehen.«
    »Stimmt, aber wir wissen nicht, ob sie die Kraft hat, wieder in die irdische Welt zurückzukommen«, antwortete Evie. »Außerdem war sie ohnehin nur an Sebastians Macht interessiert, und jetzt ist Sebastian …« Sie stockte, dann sprach sie mühsam weiter. »Sebastian ist tot. Er hat seinen Frieden gefunden. Warum sollte uns der Zirkel noch weiter verfolgen?«
    »Aber wieso habe ich dann immer noch das Gefühl, beobachtet zu werden?«
    Evie schauderte. »Ich hoffe, du irrst dich, Sarah. Ich hoffe es von ganzem Herzen.«
    »Ich denke, Sarah hat Recht«, schaltete sich Helen ein, »etwas oder jemand versucht uns zu erreichen. Mich jedenfalls. Ich wollte es dir nicht erzählen, Evie. Ich wollte, dass dieses Halbjahr ein Neuanfang wird. Das hast du verdient nach allem, was du durchgemacht hast. Aber ich bin Sarahs Meinung. Es ist noch nicht vorbei.«
    »Aber warum denn nicht?«, fragte Evie mit ängstlichem Blick. »Was ist los?«
    »Ich muss euch etwas zeigen.« Helen rollte einen Ärmel ihres Nachthemds hoch. Auf ihrem dünnen, blassen Arm prangte ein Zeichen, ein Kreis mit einem Muster, das so ähnlich aussah wie die Flügel eines Vogels. Vielleicht waren es aber auch zwei gekreuzte Klingen. »Schaut euch das an. Es lässt sich nicht abwaschen. Das Mal ist in meine Haut eingebrannt, fast wie ein Tattoo.«
    »Wie um alles in der Welt ist das passiert?« Ich schnappte nach Luft.
    Helen rollte den Ärmel wieder herunter. »Das erste Mal tauchte es in den Ferien auf.« Sie starrte nachdenklich vor sich hin. »Ich war bei meinem Vater in London und wachte völlig verwirrt mitten in der Nacht auf. Ich schlief im Gästezimmer der Wohnung, aber das begriff ich anfangs gar nicht. Ich fürchtete, wieder im Kinderheim zu sein und dass man mich zur Strafe eingesperrt hätte, wie so oft. Ich musste unbedingt frische Luft auf meinem Gesicht spüren, deshalb kletterte ich aus dem Bett und öffnete das Fenster. Vor dem Fenster waren Gitter, die Wohnung ist relativ weit oben, und Rachel, die Frau meines Vaters, hatte mir erzählt, das sei zum Schutz für die Kinder. Doch auch daran konnte ich mich nicht mehr erinnern. Ich dachte, ich wäre in einer Art Gefängnis, und wollte ausbrechen. Ich fasste mit den Händen an die Gitterstäbe und stellte mir vor, dass sie sich bewegten und auflösten – und das passierte dann auch. Aber vielleicht war das alles nur ein Traum.« Sie wischte sich die Haare aus dem Gesicht und runzelte die Stirn.
    »Jedenfalls stellte ich mir vor, wie ich mich durch die Gitterstäbe quetschte, bis ich draußen auf dem Fenstersims stand. Es war weit bis nach unten auf die Straße. In meiner Vorstellung war ich wieder im Kinderheim und kletterte auf das Dach. Ich sah nach unten und wollte nur noch, dass der Schmerz, dass mein Leben endlich vorbei wäre. Deshalb war ich bereit zu springen. Doch dann sah ich meine Mutter unten auf der Straße stehen. Sie sah aus wie ein Engel. Ich wollte ihr in die Arme springen und in ihrer liebevollen Umarmung eingehüllt werden. Ich wollte es so sehr.«
    »Oh, Helen …«
    Sie winkte ab und fuhr fort: »Aber dieses Bild wurde unterbrochen wie eine Störung bei einem alten Fernseher. Alles veränderte sich, und ich sah eine andere Szene. Sie schien in der Vergangenheit zu spielen. Meine Mutter war jung und schön wie auf den Fotos, die mir mein Vater gezeigt hatte. Sie hielt ein Kind im Arm und weinte. Sie weinte um mich. Ich sah, wie sie mich ins Waisenhaus brachte, nur mit ein paar Kleidern und persönlichen

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