Giselles Geheimnis
meinte, das wäre die richtige Strafe für ihn, weil er sie abgewiesen hatte.
Doch Natashas Boshaftigkeit war ihm eigentlich gleich, im Moment ging es ihm nur darum, seinen Cousin vor dem Skandal einer öffentlichen Bankrotterklärung zu bewahren, ganz zu schweigen davon, welche Auswirkungen das auf die Staatsfinanzen haben würde.
Stefano überschlug die Mittel, die ihm zur Verfügung standen und welche er davon am besten flüssig machen konnte, um Aldos Finanzen wieder in Ordnung zu bringen.
Zu schade, dass er gerade die Insel gekauft hatte. Aber er war auch nicht bereit, jetzt mit Verlust zu verkaufen. Es gab andere Bestände, die er abstoßen konnte, zum Beispiel seine Beteiligung an dem modernen Bürokomplex in Singapur.
Aldo war seine Familie, und manchmal kam die Familie eben zuerst.
10. KAPITEL
Giselle war schon einmal kurz aufgewacht und hatte schlaftrunken wahrgenommen, dass Stefanos Bein über ihrem lag und er sie mit einem Arm über ihrer Taille an sich gepresst hielt. Es waren jedoch willkommene Fesseln, ermöglichten sie ihr doch, still dazuliegen und über die magischen Ereignisse der Nacht nachzudenken, bevor sie wieder in den Schlaf zurückgeglitten war.
Als sie dieses Mal aufwachte, fand sie heraus, dass das Bett – sein Bett – ihr allein gehörte. Sie konnte sich also genüsslich strecken und recken und die süße Trägheit auskosten, die ihren Körper erfüllte.
Stefano war wirklich der perfekte Liebhaber, in jeder Hinsicht. Sie brauchte weder Bedenken zu haben, dass sie ihn vielleicht verletzen würde, noch sich vor den eigenen Emotionen fürchten. Sie wusste ja, dass die rosarote Wolke, auf der sie schwebte, keinen dauerhaften Bestand hatte. Dieses Wissen intensivierte das momentane Glückgefühl in ihr sogar noch, nahm sie sich doch deshalb fest vor, jeden Moment bis zur Neige auszukosten und nicht eher an das Ende zu denken, bevor es absolut nötig war.
Die gemeinsame Zeit und die Intimität wären vorbei, sobald sie nach London zurückkehrten, Stefano brauchte ihr das nicht erst zu sagen. Sie hoffte, dass er ihr genügend vertraute, um das zu wissen. Sie wollte nicht, dass auch nur eine Sekunde dieser ganz besonderen Zeit durch Unstimmigkeiten oder Misstrauen verdorben wurde.
Wie sie mit den Realitäten ihres Lebens fertigwerden sollte, wenn sie erst wieder in London war, würde sie sich überlegen, wenn es so weit war. Falls Stefano ihr die Projektleitung entzog … nun, dann konnte sie es nicht ändern. Eigentlich wäre es nur logisch und vernünftig. Dass sich bei der Vorstellung ihr Magen zusammenzog, hatte nichts zu bedeuten. Dennoch reichte es aus, um sie aus dem Bett zu treiben.
Giselle ging in ihr eigenes Schlafzimmer, duschte und zog sich an. Sie wählte einen der Röcke, den die Stilberaterin ihr empfohlen hatte, und kombinierte ihn mit einem der neuen T-Shirts.
Dass sie einen Rock trug und keine Jeans, hatte natürlich nichts damit zu tun, dass Stefano gestern mit der Hand über ihre Schenkel gestrichen und bewundernd gesagt hatte, wie endlos lang und schlank ihre Beine doch seien und wie viel besser sie in einem Rock zur Geltung kamen als in Jeans. Nein, es war einfach nur ein strahlender Frühlingstag, die Sonne schien, und überall sprossen die Knospen und Blüten. Da war ein leichter Rock doch viel angebrachter …
Sie kämmte sich gerade das Haar, als ein junges Zimmermädchen mit einer Botschaft für sie kam. Die Zofe knickste verlegen und richtete aus, dass die Großherzogin anfragen ließ, ob Giselle nicht Lust habe, mit ihr zusammen einen Einkaufsbummel in die Stadt zu unternehmen.
Mit Natasha irgendwohin zu gehen, war nun wirklich das Letzte, worauf Giselle Lust hatte, aber Höflichkeit und gute Manieren verlangten wohl, dass sie die Einladung der anderen Frau annahm. Giselle folgte der Zofe durch die inzwischen vertrauten Gänge und über Treppen, bis sie in einem sonnendurchfluteten Salon in Zitronengelb und Hellblau ankam, in dem Natasha auf einem goldfarbenen Brokatsofa saß.
„Ah, da sind Sie ja“, begrüßte Natasha sie. Mit einem abfälligen Blick hatte sie Giselles Aufzug abgeschätzt und strich sich dann mit der Hand über das knappe, aber sicherlich unendlich viel teurere Designerkleid aus goldgelber Seide.
Es wunderte Giselle, dass Natasha sich damit überhaupt hinsetzen konnte, so eng und kurz, wie es war. Und dass sie in den hochhackigen weißen Stiefeletten, die sie dazu trug, zu einem langen Bummel aufbrechen wollte. Breite
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