Giselles Geheimnis
Diamantarmbänder blitzten an ihren Handgelenken auf, und ihr Make-up war, falls überhaupt möglich, noch auffallender als gestern Abend.
„Ein Geschäftspartner meines Vaters hat ein Geschäft hier in der Stadt eröffnet“, meinte Natasha jetzt zu Giselle. „Heute Morgen rief er an und teilte mir mit, dass er gerade die Kollektion eines jungen und aufstrebenden Designers hereinbekommen hat, die mich begeistern wird.“
Es war später Nachmittag. Der Einkaufsbummel mit Natasha war alles andere als angenehm gewesen, zumindest, was Giselle betraf. Natasha hatte hemmungslos mit dem schmierigen Freund ihres Vaters geflirtet, der sie angefeuert hatte, immer knappere Oberteile und kürzere Röcke anzuprobieren und sich vor ihm zu präsentieren, wobei er es dann auch prompt für nötig befunden hatte, ständig an dem Stoff zu zupfen und zu zerren. Dabei hatte er Natasha derart mit Blicken verschlungen, dass es Giselle den Magen zusammenzog.
Der arme Aldo, er konnte einem nur leidtun. Die Kleider, für die Natasha sich begeisterte, passten eher zu einem Model, das seine guten Zeiten längst hinter sich hatte, als zu einer Großherzogin. Doch Giselle sagte kein Wort. Es stand ihr nicht zu, eine solche Meinung zu äußern.
Als sie dann in den Palast zurückkehrten, war Aldo so erfreut darüber, dass Natasha Gelegenheit gehabt hatte, Zeit mit einem alten Freund zu verbringen, dass Giselle an sich halten musste, um nichts zu sagen. Am liebsten hätte sie Natascha gefragt, ob sie überhaupt wusste, was sie mit ihrer Verachtung für Aldos Liebe und Bewunderung verlieren würde. Doch auch hier war Giselle klar, dass sie sich keineswegs in der Position befand, anderen Leuten Ratschläge zu geben.
Die vier saßen jetzt zusammen in dem blauen und gelben Salon. Aldo erzählte Giselle gerade, dass es der Lieblingssalon seiner und Stefanos Großmutter gewesen sei.
„Sie hat sich den Nachmittagstee immer hier servieren lassen. Deshalb nehmen wir den Tee auch heute noch hier.“
Bei seinen Worten verzog Natasha abfällig die Lippen und bestand darauf, einen Champagnercocktail zu bekommen. Den hatte sie schon in dem Designerladen getrunken, wie Giselle wusste. Sie fühlte echtes Mitleid mit Aldo, als sie den Schatten sah, der über sein Gesicht huschte. Natasha drängelte auch Giselle dazu, einen Cocktail zu trinken, obwohl diese viel lieber eine Tasse Tee gehabt hätte.
Der Alkohol half auch nicht, um Natashas Stimmung zu heben, im Gegenteil. Als Aldo vorsichtig andeutete, dass sie doch sicher genug neue Designerkleider habe, stürzte sie erst ihren Cocktail – ihren dritten, seit sie hier saßen – hinunter und fuhr dann auf: „Was? Willst du mir jetzt etwa das einzige Vergnügen verweigern, das ich noch habe? Denn die Bettspielchen sind ja auch nicht unbedingt deine Stärke, nicht wahr, Darling? Vielleicht solltest du dir von Stefano ein paar Tipps geben lassen.“
Stefano, der hinter Giselle stand, stieß zischend die Luft aus. Kein Wunder! Der arme Aldo musste absolut entsetzt sein.
Doch Aldo schüttelte nur milde den Kopf. „Ich glaube, du bringst unsere Gäste in Verlegenheit, Natasha.“
„Hältst du das überhaupt für möglich?“, konterte Natasha angriffslustig. „Wie könnte irgendjemand eine von Stefanos Frauen in Verlegenheit bringen?“
Giselle vermutete, dass der Alkohol Natasha an die gefährliche Grenze geführt hatte, wo Aufsässigkeit schnell in etwas weit Unangenehmeres umschlagen konnte. Um Aldos willen wollte sie die andere nicht provozieren, diese Grenze zu überschreiten, auch wenn sich alles in ihr vor Entrüstung verspannte.
Anstatt sich auf ein Wortgefecht einzulassen, beschloss sie, sich lieber zurückzuziehen. „Ich bin eigentlich recht müde“, sagte sie also leise und vermied es, irgendjemanden dabei anzuschauen. „Wenn ihr mich bitte entschuldigen wollt … ich würde gern auf mein Zimmer gehen.“
„Ich komme mit“, schloss Stefano sich sofort an. „Ich habe noch zu arbeiten.“
„Es tut mir leid, dass du das miterleben musstest“, entschuldigte sich Stefano, sobald er und Giselle allein waren. „Natasha hat sich einfach unmöglich benommen. Ich weiß nicht, wie Aldo das aushält.“
„Er liebt sie, und er hat Angst, sie zu verlieren“, mutmaßte Giselle, während Stefano die Tür zu seiner Privatwohnung aufschloss und ihr den Vortritt ließ.
„Mir tun schon jetzt die Kinder leid, die sie bekommen. Ich glaube, Natasha wird hohe Erwartungen und Forderungen an ihre
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