GK0098 - Bruderschaft des Satans
gut zureden.
Endlich erreichten sie den Bentley. Er stand so, wie sie ihn verlassen hatten. John räumte die Zweige weg, mit denen sie den Wagen getarnt hatten. Den Kelch des Feuers wickelte er in ein Tuch und legte ihn auf den Rücksitz. Dann holte er die Autoapotheke und begann Pierres Wunden zu verbinden.
»Und jetzt?« fragte Pierre Saval. »Geht es direkt durch bis nach Frankreich?«
John schüttelte lachend den Kopf. »So verrückt bin nicht einmal ich. Etwas Schlaf müssen wir uns schließlich gönnen. Aber wir fahren nach Newcastle, nicht nach Lilingtown.«
»Haben Sie Angst, daß man uns dort erkennen könnte?«
»Das nicht gerade. Aber ich möchte Ärger aus dem Weg gehen. Man soll seine Kräfte einteilen. Schließlich steht uns das Schlimmste ja noch bevor.«
»Da haben Sie vollkommen recht, John«, sagte der Bürgermeister und zog die Wagentür auf.
***
Helle, warme Sonnenstrahlen hatten die düsteren Schatten der Nacht vertrieben. Billon, der kleine Ort in den Vogesen, erwachte.
Doch die Stimmung war gedrückt. Die Menschen ahnten zwar, daß in der vergangenen Nacht etwas passiert war, doch niemand wußte etwas Genaues.
Es traute sich auch kein Mensch, den fremden Inspektor zu fragen, der im Frühstücksraum des kleinen Hotels saß. Der Wirt konnte ebenfalls nichts sagen. Lefèvre hatte den Mund gehalten und den Mann damit abgespeist, daß sein Assistent öfter unter Alpträumen litt. Für die Schüsse hatte er gar keine Erklärung abgegeben.
Die Croissants schmeckten Lefèvre heute nicht richtig. Zu sehr lagen ihm noch die Ereignisse der vergangenen Nacht im Magen.
Etwas Unheimliches war geschehen, etwas, das es normalerweise nicht geben konnte. Lefèvre hatte an Halluzinationen gedacht, die ja vorkommen sollen. Aber daß Muller die gleichen Spukbilder gesehen haben wollte, stimmte den Inspektor doch nachdenklich. Wie dem auch sei, er würde dieser Sache auf den Grund gehen. Seine Dienststelle hatte er schon benachrichtigt.
Der Kommissar war zwar im ersten Moment verwundert gewesen, hatte sich aber dann mit Lefèvres Erklärungen zufrieden gegeben.
Muller, sein Assistent, hatte sich geweigert, nach Colmar ins Krankenhaus zu gehen. Seine Wunden hatten sie mit Heilsalbe, die der Wirt zur Verfügung gestellt hatte, bestrichen und anschließend Verbände angelegt. Jetzt lag Muller oben in seinem Zimmer und schlief.
Seufzend trank Lefèvre einen Schluck Kaffee. Ohne Zucker und ohne Milch. Man hätte Tote mit ihm aufwecken können. Das Zeug brauchte Lefèvre auch nach der langen schlaflosen Nacht.
Der Inspektor saß allein in dem kleinen Frühstücksraum.
Nachdenklich blickte er aus dem Fenster. Eine Gruppe Kinder ging zur Schule. Sie lachten und scherzten. Ein Mädchen streckte dem Inspektor die Zunge heraus.
Lefèvre machte ein böses Gesicht, und das kleine Mädchen verschwand kichernd.
Noch ahnten diese Kinder nichts von der Gefahr, die über dem Ort schwebte. Und Lefèvre betete innerlich, daß sie auch nichts davon zu spüren bekamen. Er ertappte sich bei dem Gedanken, einfach zu dem alten Kloster hochzugehen. Wenn doch nur schon Pierre Saval zurück wäre. Denn plötzlich glaubte der Inspektor an den Kelch des Feuers.
Wieder warf Lefèvre einen Blick aus dem Fenster. Eine Frau überquerte mit schnellen Schritten die Straße.
Es war Germaine Bousseau.
Sie sah den Inspektor hinter der Scheibe, winkte ihm kurz zu und betrat dann das Hotel. Wenig später stand sie schon in dem kleinen Frühstücksraum.
Lefèvre erhob sich. »Bitte nehmen Sie Platz, Madame.«
Germaine nickte fahrig. »Danke.«
Sie setzte sich, kramte in ihrer Handtasche herum und holte eine Packung Zigaretten hervor. »Sie erlauben doch, Inspektor?«
»Aber sicher. Ich bin sowieso fertig mit dem Frühstück.«
Lefèvre reichte ihr Feuer.
Germaine zog hastig an der Filterlosen. Zwischendurch nagte sie an ihrer Unterlippe. Germaine Bousseau trug heute eine grüne Bluse und lange beigefarbene Hosen mit einem weiten Schlag. Das Haar hatte sie hochgesteckt. Ringe unter ihren Augen zeugten davon, wie schlecht sie geschlafen hatte.
Lefèvre steckte sich ebenfalls ein Stäbchen zwischen die Lippen.
Über die Flamme des Feuerzeugs hinweg sah er Germaine an.
»Sie haben doch etwas auf dem Herzen, Madame Bousseau.«
Germaine senkte den Blick. Fahrig drückte sie die Zigarette in dem Ascher aus. »Ja, Inspektor, ich bin selbstverständlich nicht ohne Grund zu Ihnen gekommen. Ich möchte mir dieses Kloster einmal ansehen.
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