GK0180 - Der schwarze Würger
Bond Street. Die Kanzlei hatte er von seinem verstorbenen Vater übernommen. Alles war gleich geblieben, nur die Klienten hatten gewechselt. Sean McCormick war ein erfolgreicher und mit allen Wassern gewaschener Unterweltsanwalt geworden – und nebenbei noch Playboy.
Kein Wunder, wenn man so aussah wie er.
Graues, leicht gewelltes Haar. Stets sonnengebräunt und nach der neuesten Mode gekleidet war er ganz der erfolgreiche Verführer und Mann von Welt, der bei Frauen unerhört gut ankam und dem es auch immer leicht gemacht wurde.
Zu seinem Typ paßte allerdings nicht das gediegen und eher konservativ eingerichtete Büro. Holzgetäfelte Wände, schwere Ledersessel, dicke Teppiche und ein antiker Eichenschrank, der gleichzeitig auch als Bar diente. Auf einen Schreibtisch hatte Sean McCormick verzichtet. Er war der Meinung, daß so etwas Profanes die Atmosphäre stören würde. Seine beiden Sekretärinnen, die im Vorzimmer saßen, erledigten sämtliche anfallenden Büroarbeiten. Sean McCormick konnte sich also ganz seinen Klienten widmen. Allerdings hatte er sich eine Gegensprechanlage ins Büro legen lassen. Sie stand auf dem rechteckigen massiven Holztisch, um den sich die drei Sessel gruppierten.
Und ihr dezentes Summen war es, das Sean McCormicks unruhige Wanderung durch das Büro unterbrach.
Mit zwei Schritten stand er neben dem Tisch und kippte einen roten Hebel um.
»Ja?«
Die Stimme seiner Erstsekretärin klang ihm entgegen. »Mister Astor, Sir.«
»Soll reinkommen.«
»Sehr wohl, Sir.«
Dreißig Sekunden später schneite Al Astor ins Büro. »Scheiße!« schrie er zur Begrüßung und knallte zwei Zeitungen auf den Tisch. »Hast du das schon gelesen, Sean?«
»Selbstverständlich.«
»Und?«
»Nichts – und.«
»Das darf doch nicht wahr sein.« Astor ließ sich in einen Sessel fallen. Hochrot war sein Kopf. »Jonny ist gekillt worden, und du nimmst das einfach so hin.«
»Ich kann es nicht mehr ändern.«
»Deine Ruhe möchte ich haben, Mann.«
Astor wischte sich mit einem Tuch den Schweiß aus der Stirn. Der Nachtclubbesitzer war ein mittelgroßer Mann, aber ungeheuer breit in den Schultern, so daß er aus diesem Grund nur Maßanzüge tragen konnte. Seine Gesichtshaut glänzte immer wie mit Öl eingerieben, und die kleinen, wieselflinken Augen kamen nie zur Ruhe. Zwei protzige Ringe zierten die Finger der linken Hand, und sein spärlicher Haarwuchs wurde durch einen Vollbart ausgeglichen, in dessen Mitte der Mund wie eine offene Wunde klaffte.
Al Astor sah älter aus als vierzig Jahre. Er war auch beileibe kein Frauentyp, aber was er freiwillig nicht bekam, das nahm er sich mit Gewalt.
»Du bist also gar nicht nervös, Sean?« schnaufte Astor.
»Doch, aber ich kann mich besser beherrschen.«
»Hör auf.« Astor winkte ab. Dann verschwand seine Hand in der rechten Jackentasche. »Hier! Das hast du sicherlich auch bekommen.« Er reichte seinem erstaunten Gesprächspartner einen DIN-A5-Bogen aus Büttenpapier. »Lies.«
Während Sean McCormick den Zettel entgegennahm, ging Astor zur Hausbar und kippte sich einen doppelstöckigen Whisky ein. Murmelnd las Sean McCormick das vor, was auf dem Papier geschrieben stand.
»Ich bitte Sie, sehr geehrter Mister Astor, sich heute abend um zwanzig Uhr auf Schloß Clifton einzufinden. Es handelt sich um eine sehr dringende Besprechung, die keinen Aufschub duldet. Dan Clifton.«
Sean McCormick ließ die Hand mit der Einladung sinken. Erstaunt sah er Al Astor an.
»Das ist allerdings seltsam, Al. Aber es tut mir leid, ich habe eine solche Einladung nicht bekommen.«
»Komisch. Ich…«
»Moment«, unterbrach McCormick seinen Besucher. »Ich habe noch nicht die Post durchgesehen.« Er beugte sich vor, schaltete abermals die Gegensprechanlage ein und fragte seine Sekretärin nach der Post.
»Sie ist allerdings noch nicht sortiert, Sir«, sagte die Vorzimmerelfe spitz.
»Das ist mir egal. Bringen Sie die Sachen her.«
»Jawohl, Sir.«
»Diese Weiber können einem manchmal auf den Wecker fallen«, knurrte McCormick.
»Da sagst du was Wahres«, erwiderte Astor und leerte sein Glas. Helen, die Erstsekretärin, kam mit der Post. Die Frau war für McCormicks Geschmack ein Neutrum. Sie trug die Haare kurz, war ziemlich mager und unerhört tüchtig.
»Bitte, Sir.«
»Danke, Helen. Sie können wieder gehen.«
Die Vorzimmerfee stolzierte davon.
Sie hatte die Briefe auf den Tisch gelegt. Hastig wühlte der Rechtsanwalt sie durch, bis er einen kleinen
Weitere Kostenlose Bücher